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Gerhard Schröder wechselte nach seiner Zeit als Bundeskanzler in die Wirtschaft.

© dpa

Lobbyismus: Widerstand gegen den Drehtür-Effekt

Gerhard Schröder, Otto Schily oder Wolfgang Clement – es gibt zahlreiche Politiker, die nach ihrer Zeit als Spitzenpolitiker einen lukrativen Posten in der Wirtschaft angenommen haben. Mit ihren Kontakten sind die ehemaligen Volksvertreter für die Unternehmen Gold wert. Doch SPD und Grüne wollen diesen Drehtür–Effekt nun verhindern.

Seine Karriere ist wohl das bekannteste Beispiel für den sogenannten Drehtür-Effekt: Kaum war Gerhard Schröder aus der Politik ausgeschieden, wechselte der ehemalige Bundeskanzler an die Spitze der deutsch-russischen Nord Stream AG, die für Bau und Betrieb der Ostsee-Gaspipeline zuständig ist. Das löste Entrüstung aus, denn Schröder hatte schon während seiner Amtszeit genau dieses milliardenschwere Pipeline-Projekt vorangetrieben.

Mit seinem Übertritt von der Politik in die Wirtschaft ist Schröder kein Einzelfall - es gibt zahlreiche Politiker, die nach ihrer Zeit als Minister oder Staatssekretäre, für Unternehmen tätig werden. Denn deren noch frische Kontakte zu Abgeordneten und Entscheidungsträgern sind für die Firmen bei der Durchsetzung ihrer Ziele Gold wert.

Doch schon seit längerem regt sich Widerstand gegen diese Praxis. Jetzt haben sowohl Grüne als auch SPD jeweils einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der den Drehtür-Effekt verhindern soll. Bei beiden Anträgen lautet das Zauberwort: Karenzzeit - also eine Art Wartezeit, während derer die ehemaligen Spitzenpolitiker nicht für Unternehmen tätig sein dürfen. Die SPD schlägt ein Modell vor, wie es auch in der Europäischen Kommission üblich ist: Wenn ehemalige Mitglieder der Europäischen Kommission innerhalb von 18 Monaten nach dem Ende ihrer Amtszeit einer neuen Tätigkeit nachgehen wollen, muss dies nach Anhörung einer Ethikkommission genehmigt werden. Diese Regelung will die SPD auch auf Bundesminister und Staatssekretäre in Deutschland übertragen.

Die Grünen fordern dagegen eine Karenzzeit von drei Jahren. In dieser Zeit sollen ehemaligen Regierungsmitgliedern und Staatssekretären alle beruflichen Tätigkeiten untersagt werden, die mit dem früheren Amt und den damit verbundenen staatlichen Interessen in Konflikt stehen. So wollen die Grünen verhindern, dass die Privatwirtschaft ehemaligen Politikern hoch dotierte Posten anbietet, um sich für ein früheres Entgegenkommen zu bedanken. Zudem sollen Ex-Spitzenpolitiker während der Karenzzeit keine Lobby-Arbeit in den Bereichen betreiben können, für die sie auch während ihrer Amtszeit zuständig waren.

Genau so hatte es sich nämlich beispielsweise bei dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily zugetragen. Dieser hatte sich während seiner Amtzeit für die Einführung biometrischer Merkmale in Ausweispapieren eingesetzt. Nach dem Ende seiner Ministerzeit wurde er Mitglied im Aufsichtsrat der Byometric Systems AG und der Safe ID Solutions AG - beide Unternehmen stellen Lösungen für biometrische Anwendungen her. Bei Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement lief es ähnlich. Dieser wechselte nach dem Ende der rot-grünen Koalition in den Aufsichtsrat einer Zeitarbeitsfirma und weiterer Unternehmen, darunter RWE-Power und der DuMont-Verlag. Das wohl jüngste Beispiel - allerdings auf Landesebene - ist Ulrich Junghanns, der ehemalige CDU-Wirtschaftsminister in Brandenburg. Er hatte sich für die in Insolvenz geratene Solarfirma Odersun eingesetzt und mehr als 13,4 Millionen Euro Fördergelder für das Unternehmen genehmigt. Im Jahr 2010 - ein Jahr nach dem Ende seiner Amtszeit - begann er für Odersun zu arbeiten.

Eine Karenzzeit könnte solche Vorgänge in Zukunft zwar nicht komplett unterbinden, aber zumindest verzögern. Mit ihrer Forderung nach einer mehrjährigen Sperrfrist schließen sich die Grünen Nichtregierungsorganisationen wie Lobbycontrol oder Transparency International an. Doch auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sprach sich in der vergangenen Woche dafür aus, scheidenden Abgeordneten bestimmte berufliche Tätigkeiten erst nach einer Wartezeit zu erlauben. Dies solle jedoch an eine Übergangsregelung für die Versorgungsansprüche verknüpft werden.

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