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Dass Städte und Gemeinden beim Handel mit Adressen mitmischen, schmeckt vielen nicht.

© dpa

Machtkampf: CSU streitet über das Meldegesetz

Während CSU-Chef Horst Seehofer „dicke Fehler“ rügt, spricht sein Parteifreund Hans-Peter Uhl von einer hysterischen Diskussion. Er sieht auf die Kommunen hohe Kosten zukommen, wenn es Änderungen beim Meldegesetz gibt.

Horst Seehofer ist schon lange an der Macht, sprich: in der Exekutive tätig, als Bundesminister und bayerischer Ministerpräsident. Da kann es schon mal passieren, dass man sich echauffiert, wenn das Parlament die Meinung der Regierung ignoriert und einen Gesetzentwurf ändert. Ja, wo kämen wir denn da hin, mag Seehofer gedacht haben, wenn die Parlamente ständig die Vorlagen der Regierung ändern. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl wiederum ist schon lange in der Legislative und kennt auch Seehofer schon lange. Er wird sich also kaum gewundert haben, dass der CSU- Chef eine der Grundregeln parlamentarischen Arbeitens missachtet, nämlich das Strucksche Gesetz, benannt nach dem einstigen SPD-Fraktionschef, wonach nichts den Bundestag so verlässt, wie es eingebracht worden ist.

Auch beim neuen Bundesmeldegesetz hat sich einiges geändert seit der Beschlussfassung im Bundeskabinett im vorigen September. Bei der Weitergabe von Meldedaten einzelner Bürger an Interessierte – das können Privatpersonen wie auch Firmen sein – wurde die von der Regierung beabsichtigte Einwilligungslösung (das Amt muss den Bürger fragen) durch eine Widerspruchslösung (der Bürger muss selber aktiv werden) ersetzt. Das ist streng datenschutzrechtlich betrachtet eine Entschärfung, wobei freilich auch die Widerspruchslösung dem Datenschutz dient.

Laut Uhl ist die Änderung, über die sich Seehofer auch am Dienstag noch aufregte („ein sehr dicker Fehler“), auf Einwände der Kommunen zurückzuführen. Die Kosten! Für die Städte und Gemeinden, so lässt sich CSU-Mann Uhl verstehen, würde die Einwilligungslösung teurer werden als die Widerspruchsvariante – die nun der Bundesrat, da ist sich Seehofer mit der kompletten Opposition im Bundestag völlig einig, wieder kippen will. Eben jener Bundesrat, der noch in seiner ersten Stellungnahme zum Regierungsentwurf sorgenvoll darum bat, man möge doch bitte die Kosten für Länder und Kommunen angeben. Uhl spricht von einem hohen Aufwand für die Kommunen und glaubt, dass der Bundesrat noch einmal nachdenken muss und am Ende auch bei der Widerspruchslösung landen wird. „Die werden sich noch wundern, was die Einwohnermeldeämter ihren Landesinnenministern sagen, wo sie das Personal herkriegen sollen, um jede Anfrage zu hinterfragen und schriftlich dann zu beantworten“, sagte er dem Deutschlandfunk. Er vernimmt eine „hysterische, abstrakte Diskussion“, wobei nicht klar ist, ob der wackere Uhl damit nur seinen Parteichef, die Opposition, die Bundesregierung, die zuständige EU-Kommissarin (auch Brüssel redet mit) oder alle zusammen gemeint hat.

Im Bundesrat wird das Gesetz wohl geändert werden

Was die Kosten angeht, hat die Regierung einen tapferen Beamten berechnen lassen, wie die Wirkung bei Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung sein wird. Zum Paragrafen 44 – um den sich der der Streit zum Auftakt der Sommerpause nun dreht – gibt es für die Verwaltung freilich keine konkreten Angaben. Es heißt nur, geringfügige Kosten seien denkbar „bei der Melderegisterauskunft für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels durch das Erfordernis der Einwilligung der betroffenen Person“. Die Frage wäre dann, ob die Kommunen unter geringfügig die gleichen Summen verstehen wie die Bundesregierung. Bei den Kommunalverbänden selbst sind die Reaktionen unterschiedlich. Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag betont, die Städte wollten nicht mit Adressen handeln. „Die kommunalen Meldebehörden sind aber schon jetzt gesetzlich verpflichtet, auf Anfrage Auskünfte aus dem Melderegister zu erteilen. Dabei sorgt die bisherige Widerspruchslösung für vernünftige Ergebnisse.“ Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund bestätigt zwar auch, dass die bisher schon geltende Widerspruchslösung funktioniert. Aber aus seiner Sicht ist die ursprünglich von der Regierung favorisierte Einwilligungsvariante „richtiger“, wie er dem WDR erläutert. Allerdings treibt Landsberg noch eine andere Sache um.

Direkte Anfragen in Einzelfällen (und um die geht es im aktuellen Streit vor allem) sind so häufig nicht. Manchmal kommen sie von Privatleuten, manchmal von Unternehmen. Die Bundesregierung geht sogar nur von 10000 Fällen pro Jahr aus, die kommerziell motiviert sind, also von Werbefirmen, Adresshändlern oder Marktforschern. Weitaus häufiger fragen solche Unternehmen aber bei den Kommunen mit dem Wunsch an, schon bestehende Adressdateien abgleichen und aktualisieren zu können, nicht zuletzt, um Verstorbene und Weggezogene zu löschen. Hier soll es weder ein Widerspruchs- noch ein Einwilligungsrecht der Bürger geben. Landsberg möchte hier aber zumindest den Widerspruch einführen. Im Bundestag ging die Koalition davon aus, dass es bei der Abgleichung vorhandener Listen schon eine Einwilligung der aufgeführten Bürger gibt – die freilich auch indirekt erfolgt sein kann, weil man etwa an einem Preisausschreiben teilgenommen hat, bei dem im Kleingedruckten auch die Nutzung der Adressdaten vereinbart wurde. Wie der Machtkampf zwischen Seehofer und Uhl ausgehen wird, ist vorläufig offen, aber absehbar. Im Bundesrat wird das Gesetz wohl geändert werden. Möglicherweise bleibt es dabei nicht nur bei Änderungen bei der Weitergabe von Meldedaten. Denn gekippt werden könnte auch die Wiedereinführung der Vermieterbescheinigung bei einem Einzug und die Hotelmeldepflicht. Auch im Bundesrat gilt nämlich die Strucksche Regel – vor allem dann, wenn die Regierung keine Mehrheit in der Länderkammer hat.

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