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AfD-Anhänger demonstrieren am in Stralsund.

© Stefan Sauer/dpa

Mecklenburg-Vorpommern: Die AfD aushalten lernen

Die AfD ist stark in Mecklenburg-Vorpommern. Ist sie auch eine Gefahr? Keineswegs. Aushalten lernen, heißt das Gebot der Stunde, dann bleibt sie ein Popanz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Armin Lehmann

Je näher der Wahltag in Mecklenburg-Vorpommern rückt, desto größer wird der schon gewohnte Grusel vor einer Partei, die offensichtlich nicht zu stoppen ist. Die Alternative für Deutschland (AfD) könnte zweitstärkste Partei werden – vor der CDU und hinter der SPD.

Natürlich ist das ärgerlich. Natürlich muss man an die Fehler erinnern, die die etablierten Parteien gemacht haben, insbesondere die CDU unter Kanzlerin Angela Merkel. Aber die Revolution von rechts wird auch dieses Mal ausbleiben. Anstatt vor jeder Wahl auf die Prozentzahlen zu starren und Schnappatmung zu bekommen, wäre es förderlicher, Einsicht zu zeigen: Wir werden diese Partei aushalten müssen, auch im Bundestag; und wir können sie aushalten, denn sie bleibt ein Popanz.

Angesichts dieser Krisenzeiten, Zeiten von Krieg und globalen Flüchtlingswanderungen, ist die AfD noch das Beste, was der Bundesrepublik passieren konnte. Schaut man sich um in Europa, in Frankreich, in den Niederlanden, in Österreich, dann ist die AfD unter den rechtspopulistischen Parteien womöglich die schwächste. Die Schwäche liegt darin, dass sie weiß: Will sie sich wirklich etablieren, darf sie nicht zu radikal werden. Das macht sie langfristig harmloser, als sie zurzeit erscheint.

Für eine wachsende Gruppe ist SPD und CDU eine Einheitspartei

Im Moment kann die Politik machen, was sie will, die AfD-Anhänger tangiert es nicht. Dabei hat die große Koalition alle Sicherheitspakete verschärft, dabei hat Deutschland die härteste Asylgesetzgebung seit langer Zeit, dabei gibt es kaum Staaten, die Deutschland nicht als sicheres Herkunftsland einstuft, dabei ist der große Strom an Geflüchteten abgeebbt. Trotzdem funktioniert die AfD als Sammelbecken von Menschen, die gegen jede Politik sind, wenn sie von etablierten Parteien gemacht wird. Unter diesen Bürgern sind viele, die auch ohne Fehler der Bundespolitik unbelehrbar und uneinsichtig blieben, weil sie Politik eigentlich nicht interessiert. Insofern ist es beinahe eine Leistung der AfD, dass sie die immer größere Zahl von Nichtwählern „politisiert“. Für diese wachsende Gruppe sind SPD und CDU eine Einheitspartei.

Insofern muss man nochmals an einen Ursprungsfehler Angela Merkels erinnern: Sie wollte nicht, dass der konservative „Berliner Kreis“, geführt von Alexander Gauland, Einfluss gewinnt in der CDU. Merkel wollte lieber die supergroße Mitte, weil sie dort die SPD klein machen konnte, die Ränder hat sie nicht interessiert. Einer wie Edmund Stoiber wird nicht müde zu betonen, dass diese „Politik der Ausgrenzung“ der AfD sehr geholfen habe. Jetzt macht Merkel das, was sie am besten beherrscht: abwarten.

Die merkwürdige Angst, noch mehr Wähler zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommern hat die Kanzlerin ihren Bundestagswahlkreis, aber die CDU ist dort ohnehin nur Juniorpartner in der rot-schwarzen Koalition. Solange das so bleibt, ist Schwerin für die Kanzlerin kein Politikum, von dem eine Signalwirkung ausgehen könnte. Abwarten allein funktioniert aber auch nicht, denn Politik muss sich erklären, das wiederum kann Merkel gar nicht. Die Etablierten müssten aufmerksam geduldig bleiben mit den Menschen, die Ängste haben; müssen die eigene Politik, ja eigene Grundsätze, gebetsmühlenartig verdeutlichen, verteidigen, Zukunftsdebatten zulassen und Ablehnung aushalten.

Stattdessen werden immer neue Forderungen laut. Es gibt eine merkwürdige Getriebenheit aus Angst, noch mehr Wähler zu verlieren. Die Forderung nach dem Burka-Verbot ist ein Beispiel. Auch die SPD versteht nur noch ein Wahlkampfmanager: In Rheinland-Pfalz hat Malu Dreyer die Landtagswahl gewonnen, indem sie sich enger an die Seite der Kanzlerin stellte als ihre CDU-Herausforderin. In Mecklenburg-Vorpommern gewinnt Erwin Sellering vermutlich, weil er Merkel verantwortlich macht für die Flüchtlingskrise und Sätze sagt, die auch AfD-Funktionäre sprechen.

Die AfD macht das nicht kleiner. Wenn sie gewählt ist, wird sie sich selbst wieder abschaffen. Denn Verantwortung kann sie nicht.

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