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Spuren der Gewalt: Auf dem Sinai werden entführte Afrikaner auch gefoltert.

© Human Rights Watch

Menschenhandel auf dem Sinai: Entführt, gefoltert und erpresst

Seit Jahren werden vor allem eritreische Flüchtlinge aus dem Sudan verschleppt - von Menschenhändlern. Sie schaffen die Menschen auf die Halbinsel Sinai. Dort werden die Opfer misshandelt, um Lösegeld zu erpressen. Jetzt dokumentiert Human Rights Watch die massiven Menschenrechtsverstöße.

Sie wollen der Unterdrückung eines repressiven Regimes entkommen, Not und Elend endlich hinter sich lassen. Sie möchten ein halbwegs erträgliches Leben an einem sicheren Ort führen. Deshalb sind in den vergangenen Jahren Hunderttausende Menschen aus Eritrea geflohen. Viele von ihnen in den benachbarten Sudan. Doch dort müssen sie nicht nur unter zumeist katastrophalen Bedingungen hausen, sondern den Frauen und Männern droht oft ein noch schlimmeres Schicksal: Die Eritreer könnten brutalen Menschenhändlern in die Hände fallen.

Seit Jahren entführen gut organisierte und skrupellose Kidnapper die Flüchtlinge, halten ihre Opfer gefangen und foltern sie. Das Ziel der Kriminellen: Lösegeld erpressen. Und wenn nicht gezahlt wird, werden die zuvor Misshandelten getötet. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat am Dienstag einen auf fast 60 Interviews basierenden Bericht mit zahlreichen derartigen Fällen veröffentlicht. Es ist ein 79-seitiges Dokument des Grauens.

Das perfide Geschäft mit den Schutzsuchenden funktioniert seit Jahren. Zunächst ließen sich die Schleuser dafür bezahlen, dass sie die in sudanesischen Camps lebenden Eritreer über den Sinai nach Israel brachten. Doch der jüdische Staat hat 2011/ 12 große Teile eines Grenzzauns fertig gestellt. Seitdem sind die Menschenhändler dazu übergegangen, die Afrikaner direkt aus Flüchtlingslagern zu holen und sie auf den Sinai zu verschleppen. Vor allem der Norden der Halbinsel ist seit dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak zu einer gesetzlosen Zone geworden – und für Eritreer und andere Schwarzafrikaner somit zum Gefängnis und Grab.

Lösegeld von den Angehörigen

Denn vor allem kriminelle Beduinen halten die Wehrlosen gefangen und quälen sie. So berichtete ein 23-Jähriger aus Eritrea Human Rights Watch: „Sie schlugen mich mit einer Eisenstange. Sie ließen geschmolzenes Plastik auf meinen Rücken laufen. Sie schlugen erst auf meine Fußsohlen ein und zwangen mich dann, für eine lange Zeit zu stehen.“ Die so Gefolterten werden dann aufgefordert, Angehörige anzurufen, damit diese Lösegeld in Höhe von mehreren Zehntausend Dollar zahlen. Kommt kein Geld, werden die Entführten umgebracht.

Doch selbst wenn sie freikommen, ist ihr Martyrium womöglich nicht beendet. Laut Human Rights Watch werden die Opfer häufig von ägyptischen Grenzpolizisten aufgegriffen und als illegale Einwanderer monatelang bis zu ihrer Abschiebung interniert – ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte. Human Rights Watch erhebt sogar noch schwerwiegendere Vorwürfe und stützt sich dabei auf Aussagen der Verschleppten: „Ägpyten und Sudan geben offensichtlich korrupten Sicherheitsbeamten quasi freie Hand, um mit Menschenhändlern gemeinsame Sache zu machen“, sagt Flüchtlingsexperte Gerry Simpson, der auch Autor des Berichts ist. Vor allem Kairo leugne, dass es überhaupt ein Problem gebe. „Daher sollte die Staatengemeinschaft darauf bestehen, dass begangene Verbrechen bestraft werden“, fordert Simpson. Wenigstens das sei man den Opfern der Menschenhändler schuldig.

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