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Frankreichs Erfahrungen: Mindestlohn ist nicht mehr wegzudenken

In Frankreich wird im europäischen Vergleich prozentual der höchste Mindestlohn gezahlt. Wie hat er sich dort bewährt?

Aus dem französischen Wirtschaftsleben ist der gesetzliche Mindestlohn nicht mehr wegzudenken. Er war 1950 eingeführt worden, um den Franzosen nach dem Krieg, wie in der Verfassung von 1946 postuliert, die zu ihrer Entfaltung notwendigen Voraussetzungen der materiellen Sicherheit zu garantieren. In seiner heutigen Form existiert der Smic, wie das „salaire minimum interprofessionnel“ (wachstumsorientierter berufsübergreifender Mindestlohn) abgekürzt wird, seit 1970. Er wird von der Regierung jährlich festgelegt. Damit soll die Kaufkraft von Niedriglöhnen erhalten und deren Beziehern die Teilhabe an der Wirtschaftsentwicklung ermöglicht werden.

Die Anhebung darf nicht niedriger ausfallen als die Hälfte der Erhöhung der Kaufkraft der durchschnittlichen Stundenlöhne. Steigt der Index der Lebenshaltungskosten um mindestens zwei Prozent, erfolgt die Anpassung automatisch. Darüber hinaus kann die Regierung jederzeit einen Zuschlag, den von den Gewerkschaften immer wieder geforderten „coup des pousse“, beschließen.

Am 1. Januar 2011 wurde der Smic um 1,6 Prozent auf neun Euro angehoben. Im Verhältnis zum durchschnittlichen Arbeitseinkommen ist er der höchste in Europa. Unter diesem Stundenlohn, der bei einer Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche einem Monatseinkommen von 1365 Euro brutto entspricht, darf – mit Ausnahme von Auszubildenden – niemand beschäftigt werden. Ausgenommen von der Smic-Berechnung sind Vergütungen für Überstunden, Aufwandsentschädigungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Etwa 3,4 Millionen Smicards, wie die Empfänger des gesetzlichen Mindestlohns genannt werden, gibt es derzeit in Frankreich. Das entspricht 14,5 Prozent der Lohn- und Gehaltsempfänger. In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts lag dieser Anteil noch unter zehn Prozent. Früher wurde der Smic vor allem in der Landwirtschaft oder an Hilfsarbeiter in der Industrie gezahlt, heute zumeist für Dienstleistungen, in privaten Haushalten, der Gastronomie oder im Handel. Kritiker bemängeln, die Entwicklung des Smic habe dazu geführt, dass die Beschäftigung von gering qualifizierten Arbeitskräften für Arbeitgeber zu teuer wurde. Dem steht aber die Zunahme der Zahl der Smic-Empfänger entgegen. Darüber hinaus gilt der Smic heute auch als Sicherung gegen soziale Konflikte. Sein Nutzen wird auch von den Arbeitgebern nicht in Frage gestellt.

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