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Der Börsenhändler Dirk Müller, genannt "Mister Dax".

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Euro-Krise: Mister Dax: "Dann hätten wir Armageddon"

Für Dirk Müller, Makler an der Frankfurter Börse, ist das Euro-Rettungspaket mit "katastrophalen Fehlern" verbunden. Verbrauchern rät er, zunächst einmal einen kühlen Kopf zu bewahren.

Herr Müller, Sie sind seit Jahren an der Börse und beschäftigen sich auch mit dem Euro. Der scheint seit Tagen zu fallen. Wann wird es gefährlich?

Es ist bereits gefährlich, weil die Menschen kein Vertrauen mehr in diese Währung haben. Sie fliehen aus dem Euro und legen ihr Geld in britischen Pfund oder norwegischen Kronen an, oder investieren in Edelmetalle. Viele glauben, dass der Euro bald nichts mehr wert ist, vielleicht sogar zusammenbricht, und die alten Währungen wieder eingeführt werden. Diese wären dann enorm abgewertet. Somit entsteht Druck auf den Euro, der von zwei Seiten verstärkt wird: durch die Angst der Menschen selbst und durch Kreise, die die Stimmung gegen den Euro bewusst hoch halten.

Was sind das für Kreise und wie funktioniert das Spiel?

Es geht um psychologische Kriegsführung. Ratingagenturen, aber auch amerikanische Banken bringen immer wieder Horrorszenarien auf den Markt, in denen sie die geschnürten Rettungspakete ignorieren und die Angst vor einem schwachen Euro hoch halten. Es geht um Botschaften. So blinkte Ende März auf der Anzeigentafel der Wall Street plötzlich der Franc mit französischer Flagge wieder auf. Ein Fehler, heißt es – aber ich bin zu lange dabei, um an solche Fehler zu glauben. Vielmehr soll der Eindruck erweckt werden, als würde schon am neuen Franc und der DM 2.0 gearbeitet. Die Herde soll in Panik versetzt werden.

Und die Politik ist machtlos?

Das ist sie nicht. Aber sie versteht zu spät, was hier passiert. Und sie reagiert falsch. Jetzt müsste es darauf ankommen, mit einer einheitlichen Stimme zu sprechen. Stattdessen geht es um nationalstaatliche Interessen.

Aber es gibt Entscheidungen. Griechenland wird geholfen, ein Euro-Rettungspaket ist auf dem Weg.

Das Problem ist nur: Die Griechenland-Hilfe ist mit einem katastrophalen Fehler verbunden. Über Jahre war man sich zu recht einig, nicht in eine Krise hineinzusparen, weil das jeglichen wirtschaftlichen Aufschwung zerstört. Und genau das verlangt man jetzt von Griechenland und den anderen Wackelkandidaten Spanien, Portugal und Irland. Man verordnet wirtschaftlichen Selbstmord.

Also einfach weiter wie bisher?

Nein. Natürlich müssen die Haushalte konsolidiert werden, denn wir stecken in einer internationalen Schuldenkrise. Aber das darf nicht mit dem Holzhammer passieren. Europa muss sich jetzt als Haftungs- und Wertegemeinschaft verstehen. Kompetenzen müssen nach Brüssel verlagert werden, Schritt für Schritt. Aber hier hat man sogar den Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Boot geholt, was ebenfalls ein großer Fehler ist. Denn der IWF ist auch ein verlängerter Arm der USA. Und die ersten Anzeichen deuten darauf hin, dass der US-Senat darauf drängen wird, dass die US-Vertreter im IWF von ihrem Vetorecht gegen die Griechenland-Hilfe Gebrauch machen. Das hätte zur Folge, dass die Hilfe platzt – dann hätten wir Armageddon.

Sind andere Währungen auch von massiven Spekulationen betroffen?

Auf jeden Fall. Schon bald werden wir über das britische Pfund und auch den Dollar reden. Denn diese Länder sind noch viel extremer verschuldet. Deshalb sehe ich mittelfristig nur einen Ausweg: eine Neuverhandlung der Schulden.

Wie soll das funktionieren?

Die Zinsen für bestehende Anleihen werden herabgesetzt und die Laufzeit verlängert. Dadurch wären die Staaten schnell von der Zinslast ihrer Schulden befreit und sie könnten wieder investieren.

Erst mal wird über Regulierung gesprochen. Wie realistisch ist das, und wird über die richtigen Instrumente debattiert?

Das ist zwingend notwendig. Hedgefonds beispielsweise muss man Einhalt gebieten. Sie gehören zu den mächtigsten Playern, und es gibt noch nicht einmal eine Registrierung. Von jeder Kuh wissen wir, wie viel Milch sie gibt, und von denen wissen wir so gut wie gar nichts.

Macht die Finanztransaktionssteuer Sinn oder trifft sie nur den kleinen Anleger?

Auf jeden Fall macht sie Sinn. Denn wenn jemand 10 000 Euro anlegt und davon einen oder fünf Euro Steuern zahlen muss, ist dies kein Grund, das Geld nicht anzulegen. Aber Banken, die im Minutentakt durch den Computerhandel Geschäfte machen, die überhaupt keinen volkswirtschaftlichen Nutzen haben, wird die Steuer treffen. Und das ist gut so, weil diese Geschäfte unterbunden gehören.

Aber es heißt, der deutsche Finanzplatz werde geschwächt, alle wandern ab.

Wenn Deutschland oder Europa vorangingen, wäre das ein gutes Zeichen. Und wenn wegen der Steuer Spekulanten abziehen, kann man nur froh sein. Es wäre ein Vorteil für den Finanzplatz. Denn die Kurse wären stabiler und die Idee des Aktienmarktes, Geld für Investoren bereitzustellen, damit die volkswirtschaftlich relevante Projekte unterstützen können, könnte wiederbelebt werden. Im Moment gibt es durch den Computerhandel wahnsinnige Kursschwankungen, die keine reale Begründung haben.

Was raten Sie Verbrauchern?

Einen kühlen Kopf bewahren. Die Situation zu verstehen versuchen und das Geld in reale Werte investieren. Also Edelmetalle oder auch Aktien – beides sollte man sich aber unbedingt mit klassischen Verkaufsoptionsscheinen absichern. Viel hängt jetzt an Europa und wie einig sich diese Gemeinschaft ist.

Dirk Müller (41) ist Makler an der Frankfurter Börse und Herausgeber der Internetplattform www.cashkurs.com. Mit ihm sprach Christian Tretbar.

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