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Der Präsident der Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke hat zugegeben, dass bei den Ermittlungen zur Zwickauer Terrorzelle schwerwiegende Fehler gemacht wurden.

© dapd

Möglicher Zusammenhang mit Mordserie: Verfassungsschützer vernichten NSU-Akten

Absicht oder Versehen? Der Verfassungsschutz vernichtet Akten, die eigentlich die Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie voranbringen sollten. Das Ermittlungschaos in dem Fall nimmt zu.

Das Schreddern wichtiger Akten im Fall der Zwickauer Terrorzelle bringt den Verfassungsschutz in große Bedrängnis. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte eine „lückenlose Aufklärung“ an und nahm Behördenchef Heinz Fromm persönlich in die Pflicht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat bei den Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie Akten vernichtet, nachdem die drei Verdächtigen aus Zwickau bereits aufgeflogen waren. „Sie sind aufgefordert worden, Akten zu suchen, sie haben Akten gefunden, und sie haben die Akten vernichtet“, sagte der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), am Donnerstag in Berlin.

Gegen einen Referatsleiter sei ein Disziplinarverfahren in Gang gesetzt worden, hieß es am Donnerstag aus der Behörde. Der Beamte müsse erklären, warum er im November 2011 die Anweisung zur Vernichtung von sieben Akten mit Informationen über thüringische Rechtsextremisten gegeben habe. Über Monate hinweg habe er der Behördenspitze verschwiegen, dass die Akten wenige Tage nach Bekanntwerden der Neonazi- Mordserie der sogenannten Zwickauer Zelle vernichtet worden waren. Die Brisanz des Vorgehens ergibt sich aus der zeitlichen Abfolge. Anfang November 2011 war die Mordserie der rechtsextremen Zelle, die sich Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nannte, bekannt geworden. Der Verfassungsschutz erließ nach eigenen Angaben am 10. November die interne Anordnung, alle Unterlagen auf Hinweise zur NSU zu prüfen. Am 11. November übernahm der Generalbundesanwalt die Ermittlungen. Am gleichen Tag ließ der Referatsleiter die sieben Akten vernichten. Im Zuge der Vorbereitung des Auftritts von Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in der kommenden Woche seien diese Akten angefordert worden, hieß es weiter.

Der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle werden zehn Morde zur Last gelegt, darunter neun an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft. Ein Opfer war eine deutsche Polizistin.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, verteidigte vor dem Ausschuss das Vorgehen der Ermittler im Grundsatz. Er gab zwar Fehler zu, ließ aber offen, wo diese geschehen seien: „Das Versagen hat viele Facetten.“ Ziercke erinnerte daran, dass das BKA 2006 nicht die zentralen Ermittlungen übernommen habe. Stattdessen sei eine zentrale Steuerungsstelle gegründet worden – „vertretbarer, guter Kompromiss“. Das BKA hatte das Bundesinnenministerium ersucht, die zentralen Ermittlungen übernehmen zu können. Dies war von der Innenministerkonferenz der Länder abgewiesen worden.

Als Konsequenz aus den Ermittlungspannen bei der Mordserie gibt es künftig eine zentrale Neonazi-Datei. Mit großer Mehrheit beschloss der Bundestag am Donnerstag die Einrichtung einer Verbunddatei, in der alle Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten gespeichert werden. (AFP/dpa)

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