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Blendender Redner: Nichi Vendola, derzeit Regionalpräsident von Apulien.

© REUTERS

Mut aus dem Mezzogiorno: Italienische Redekunst – Apuliens Regionalpräsident auf Stippvisite bei der Linkspartei

Italienisches Feuer für den Berliner Wahlkampf. – Der Regionalpräsident von Apulien, Nichi Vendola, unterstützt die Linkspartei beim gemeinsamen Auftritt mit Klaus Ernst.

Berlin - Dem einen wird zugetraut, die Ablösung von Silvio Berlusconis Mitte- Rechts-Bündnis zu schaffen. Der andere muss fürchten, schon in den nächsten Monaten von seinen eigenen Genossen aus dem Amt gejagt zu werden: Gemeinsam traten der Chef des linksgrünen italienischen Bündnisses Sel (Sinistra Ecologia Liberta), Nichi Vendola, und der Linkspartei-Vorsitzende Klaus Ernst im Berliner Wahlkampf auf. Eine gemeinsame Agenda gibt es: Die Euro-Krise soll bewältigt werden, ohne Einschnitte in Löhne und Sozialsysteme, die gemeinsame Währung soll von den Finanzmärkten abgekoppelt werden. Deutliche Unterschiede zeigten sich da, wo es um neue Formen der Arbeit und der politischen Organisation ging.

Die Linkspartei, die in Europa bisher mit Rifondazione comunista zusammenarbeitete, sieht ihren Partner inzwischen in Vendola, der die postkommunistische Rifondazione vor geraumer Zeit verlassen und die Bewegung Sel gegründet hat. Seit 2006 ist er Regionalpräsident – einem Ministerpräsidenten vergleichbar – von Apulien. Apulien, der Absatz des italienischen Stiefels, ist tiefer Mezzogiorno, arm, mit hoher Arbeitslosigkeit geschlagen und konservativ-katholisch geprägt. Trotzdem gewann der entschieden linke Vendola, der einzige bekennende Schwule der italienischen Politik, im Mai dort erneut die Wahl. Noch ist fraglich, ob der blendende Redner Vendola selbst Spitzenkandidat bei den Parlamentswahlen wird – aber ziemlich sicher ist, dass Berlusconi ihn fürchten muss. Die größte Oppositionspartei Partito democratico – sie vereint Reste der alten KP und linksliberale Christdemokraten – lähmen ihre programmatische Vagheit und Zerstrittenheit.

Beim gemeinsamen Auftritt mit Ernst in Berlin wurden Unterschiede etwa im Verhältnis zum Prekariat deutlich, das in Italien noch weit verbreiteter ist als in Deutschland: Es könne zwar keinen Zweifel geben, dass ungesicherte Arbeit eine Katastrophe sei, sagte Vendola. Das Prekariat sei im Übrigen „kein Betriebsunfall“ der Globalisierung, sondern „eine bewusste Entscheidung“. Zugleich verdienten aber auch „neue Formen der Arbeit junger Menschen“ Respekt, die die Monotonie klassischer Arbeitsplätze aufbrechen wollten. Die Mobilität der Jungen sei eine Errungenschaft und müsse gefördert werden – etwa durch einen Sozialstaat, der nicht nur ein Recht auf Arbeit, sondern auch eines auf Einkommen anerkenne. Da war Vendola schon näher bei Ernsts Parteifreundin Katja Kipping, die seit längerer Zeit für ein bedingungsloses Grundeinkommen streitet und sich deshalb wiederholt mit ihrem Parteivorsitzenden angelegt hat. Ernst hatte zuvor auf die Frage eines jungen Italo-Berliners erklärt, nach seiner Einschätzung seien auch junge Leute nach wie vor interessiert an einem festen Arbeitsplatz.

Vendola ging auch auf Distanz zu klassischen politischen Organisationsformen: „Ich bin kein Freund von Parteiliturgien und möchte nicht mehr in einer Partei sein, die sich für eine Kirche hält“, sagte er. Ernst immerhin fordert schon seit längerem, wichtige Fragen in einer Partei per Mitgliederentscheid zu regeln – sogar die Besetzung einer neuen Führung.

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