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Eingang zur Wache der Bundespolizei in Hannover. Hier sollen die Misshandlungen stattgefunden haben.

© dpa

Update

Mutmaßliche Misshandlungen bei der Bundespolizei: Waren mehrere Beamte an Quälereien von Flüchtlingen beteiligt?

Nach den Berichten über mutmaßliche Misshandlungen an zwei Flüchtlingen durch einen Bundespolizisten ermittelt die Justiz. In Hannover gingen am Abend mehrere Hundert Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auf die Straße.

Einzelfälle oder systematische Quälereien mit Billigung der Vorgesetzten? Berichte über mutmaßliche Misshandlungen an zwei 19-jährigen Flüchtlingen in den Gewahrsamszellen der Bundespolizei-Inspektion im Hauptbahnhof von Hannover haben Justiz und Politik auf den Plan gerufen und bundesweit Empörung ausgelöst. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen mindestens einen 39-jährigen Bundespolizisten wegen Körperverletzung im Amt. In Berlin haben die Grünen eine sofortige Unterrichtung durch das Bundesinnenministerium am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestages beantragt. Auch der Niedersächsische Landtag wird sich auf Initiative der schwarz-gelben Opposition mit den Vorgängen befassen.

Der Beschuldigte  soll einem Bericht des NDR zufolge im März 2014 einen jungen Afghanen, der ohne Pass angetroffen worden war,  gewürgt und an den Fußfesseln durch die Zelle geschleift haben. „Das war so schön. Gequickt wie ein Schwein. Das war ein Geschenk von Allah“, zitiert der Sender aus einer Handy-Kurzmitteilung voller Rechtschreibfehler, in der sich der Beamte gegenüber Kollegen mit seinen Taten gebrüstet haben soll. Im September trifft es dann offenbar einen Mann aus Marokko, der in einem Zug ohne Fahrschein und mit einer geringfügigen Menge Cannabis aufgegriffen worden wurde. Ein mutmaßlich mit dem Mobiltelefon des Beschuldigten aufgenommenes Foto zeigt das mit Handschellen gefesselte Opfer mit schmerzverzerrtem Gesicht in unnatürlicher Haltung. Auch hier verdeutlicht eine  prahlerische SMS des Polizisten das ganze Ausmaß der Quälerei: „Dann hat der Bastard erst mal den Rest gammeliges Schweinefleisch aus dem Kühlschrank gefressen.“

Die SMS-Botschaft zeigt aber noch mehr: Es waren offenbar auch Kollegen an den Misshandlungen beteiligt oder haben diese zumindest mitbekommen. Auf dem Foto sind die Stiefel eines zweiten Polizisten erkennbar; im Text erwähnt der Beschuldigte laut NDR außerdem seinen unmittelbaren Vorgesetzten, der „oben“ die Schreie die Schreie des Marokkaner gehört habe. Der Sender zitiert zudem einen Insider, der von weiteren Misshandlungen in der Wache berichtet.  „Wir prüfen natürlich, ob auch andere Beamte was davon gewusst oder gar mitgewirkt haben“, erklärte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge.

Der Ermittler bestätigte, dass das Privathaus des inzwischen vorläufig vom Dienst suspendierten  Beschuldigten und dessen Spind in der Dienststelle am vergangenen Freitag durchsucht worden seien. Dabei habe man Datenträger sichergestellt und auch eine Waffe gefunden. Diese müssten nun untersucht werden. Außerdem wolle man die  namentlich bekannten Opfer ausführlich befragen und weitere Zeugen vernehmen. Anlass für die Ermittlungen sei eine Anzeige von zwei Personen aus der vergangenen Woche. Deren Identität wollte Klinge jedoch nicht preisgeben. Auch zu den Gründen, warum sich diese Zeugen erst jetzt gemeldet haben, machte der Staatsanwalt keine Angaben. 

Die Nachricht löste bundesweit Empörung aus

Von einem „entsetzlichen Ausmaß an Rassismus“ sprach die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Geschäftsführer Günter Burkhardt bezeichnete „die Tatenlosigkeit der Mitwisser in Polizeiuniform“ als Skandal im Skandal. „Der ganze Sumpf muss offengelegt werden.“ Auch die Migrationsbeauftragte  der Bundestages, Aydan Özoguz (SPD) forderte eine rasche, lückenlose Aufklärung. „Wenn es zutrifft, dass ein Beamter Flüchtlinge gequält und die Misshandlungen sogar dokumentiert hat, muss die Bundespolizei über den Einzelfall hinaus Konsequenzen ziehen.“ Der grüne Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler aus Hannover sprach sich für einen unabhängigen Beauftragten für die Bundespolizei aus. An diesen sollten sich nicht nur Opfer und Zeugen, sondern vor allem auch Beamte selbst wenden können.  „Die Vorfälle zeigen erneut, dass wir eine Anlaufstelle für Beamte außerhalb der normalen Hierarchie-Ebene brauchen.“ Die beiden großen Polizei-Gewerkschaften warnten dagegen vor einer pauschalen Verurteilung aller Beamten.

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