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Der türkische Präsident Erdogan spricht vor Anhängern in Istanbul.

© REUTERS

Nach dem Putschversuch in der Türkei: Wien reagiert auf Ausschreitungen der Erdogan-Befürworter

Die Regierung in Wien nimmt die Verlagerung von Pro-Erdogan-Demonstrationen ins Ausland nicht kommentarlos hin. Ein innerpolitischer Konflikt der Türkei dürfe nicht in Österreich ausgetragen werden.

Recep Tayyip Erdogan sieht die Türkei überall dort, wo türkische Bürger leben. Diese Haltung des türkischen Präsidenten offenbarte sich bereits im vergangenen Jahr während der Parlamentswahlen, als Erdogan extra nach Deutschland und Österreich reiste. Dort waren Wahlkampfveranstaltungen extra für ihn organisiert worden. Auch Erdogans Anhänger teilen die Ansicht, dass die im Ausland lebenden Türken eine entscheidende Rolle spielen. Nachdem am vergangenen Wochenende der Militärputsch gegen Erdogan und seine Regierung gescheitert war, gingen tausende Türken auch in Wien bei einer unangemeldeten Demonstration auf die Straße. Es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen, der Garten eines kurdischen Restaurants wurde zerstört.

Zwielichtiger Aufruf der Union Europäisch-Türkischer Demokraten

Angesichts der Tatsache, dass die türkische Politik auf die Straße verlagert wird, schrillen in der österreichischen Regierung die Alarmglocken. Mit dazu beigetragen hat ein Internet-Aufruf der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die Erdogan nahesteht. Darin heißt es, dass der türkischen Polizei verdächtige Äußerungen in sozialen Medien sowie jede Form der Unterstützung für „terroristische Aktivitäten“ und „kriminelle Elemente“ gemeldet werden sollen. Damit Denunzianten nicht lange suchen müssen, wurde auch gleich die dazu gehörige E-Mail-Adresse angegeben.

Wiens Justizminister Brandstetter: Europäische Rechtsordnung muss gewahrt werden

Österreichs Justizminister Wolfgang Brandstetter hält dies für nicht hinnehmbar. Für ihn steht fest, dass die Errungenschaften und Grundsätze der europäischen Rechtsordnung auch von jenen geachtet werden müssen, die aus einem anderen Kulturkreis und gesellschaftlichen Umfeld eingewandert sind und nun hier ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden haben. Erst recht ist es nach der Auffassung von Brandstetter nicht akzeptabel, in Österreich und in der EU für eine Staatsgewalt einzutreten, die gerade dabei ist, den in Europa gültigen Werten der Meinungs- und Medienfreiheit sowie der Unabhängigkeit der Justiz den Kampf anzusagen. Konkret denkt der Justizminister an eine gesetzliche Neuregelung, zum Beispiel bei nicht angemeldeten Demonstrationen. Dies sei aber Sache des Innenministers.

Gesamte Opposition unterstützt den Vorstoß der Regierung

Auch dem Wiener Innenminister Wolfgang Sobotka bereitet der türkische Propagandaaufmarsch Sorge. Es müsse Konsequenzen haben, wenn unter dem Deckmantel der Demonstrationsfreiheit ein innenpolitischer Konflikt aus der Türkei in Österreich ausgetragen werde, erklärte er. Sobotka weiß aber auch, dass es sich beim Demonstrationsrecht um ein besonders hohes Gut handelt. Trotzdem könne man diese Entwicklung nicht einfach hinnehmen. Da es sich dabei nicht nur um ein österreichisches Problem handelt, wollen sich damit bei nächster Gelegenheit auch die EU-Gremien befassen. Wie selten bei heiklen Themen gibt es für den Vorstoß der Regierung Unterstützung von der Opposition – von der FPÖ bis hin zu den Grünen. Alle sind sich darin einig, dass für Erdogans Politikverständnis kein Platz in Österreich ist. Genau das will Bundeskanzler Christian Kern so rasch wie möglich den wichtigsten muslimischen Organisationen verdeutlichen und daher das Gespräch mit deren Repräsentanten suchen.

Mit Unbehagen wird in diesem Zusammenhang auch die Ankündigung des Politikers Turgay Taskiran beobachtet, der mit seiner türkisch dominierten Liste bei den Wiener Landtagswahlen den Sprung in drei Bezirksparlamente schaffte: Taskiran erklärte, dass er bei der Nationalratswahl im kommenden Jahr in ganz Österreich antreten wolle.

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Herbert Vytiska

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