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Ungangsformen: Nach dem Urteil gegen Uli Hoeneß debattiert die Politik eine Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige für Steuerhinterzieher.

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Nach dem Urteil gegen Uli Hoeneß: Von Anzeigen, Abkommen und Anklagen

Nach dem Urteil gegen den ehemaligen Präsidenten und Aufsichtsratchefs des FC Bayern München, Uli Hoeneß, geht die Debatte um den zukünftigen Umgang mit Steuerhinterziehern in der Politik unvermindert weiter. Mit mehr Milde können die Besitzer von Schwarzgeld dabei sicher nicht rechnen.

Von Lutz Haverkamp

Vielleicht hat Uli Hoeneß damals darauf gehofft, dass das Steuerabkommen mit der Schweiz ihm einen Ausweg aus seiner finanziell verworrenen Lage weist. Aber dem war nicht so. Obwohl das Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland von der schwarz-gelben Vorgängerregierung bereits fertig ausgehandelt war, scheiterte es dann Anfang 2013 im Bundesrat am Widerstand von SPD und Grünen. Es sah eine pauschale und anonyme
Nachversteuerung von Schwarzgeld in der Schweiz vor. Steuersünder, die fällige Abgaben nachzahlen, wären straffrei geblieben. Auch Uli Hoeneß, der seine Finanzgeschäfte über eine Schweizer Bank abwickelte. Es kam bekanntlich anders.

Was blieb war die strafbefreiende Selbstanzeige. Die - wäre sie umfassend, vollständig und damit wirksam gewesen - hätte den ehemaligen Präsidenten und Aufsichtsratchef von Bayern München vermutlich ebenfalls vor größerer Unbill bewahrt. Aber was Honeß vorlegte, reichte dem Münchener Richter Rupert Heindl nicht aus. Die Selbstanzeige wertete er als unwirksam, folglich war Hoeneß in sieben Fällen der Steuerhinterziehung schuldig. Urteil: drei Jahre und sechs Monate Haft.

"Man muss die Schweizer Banken zwingen"

Nun dreht sich die Debatte in der Politik um zukünftige Fälle. Die Kriterien für die Selbstanzeige werden wohl verschärft, ein Abkommen mit der Schweiz steht aber in den Sternen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat den eidgenössischen Geldinstituten mit einer härteren Gangart gedroht. Die Verschiebung von Spekulationsgewinnen in Millionenhöhe sei zu einem Geschäftsmodell geworden, beklagte der SPD-Politiker in der "Passauer Neuen Presse". "Man muss die Schweizer Banken deshalb zwingen, alles offenzulegen". Noch besser wäre es, wenn auch Bankvorstände, die Beihilfe zur millionenfachen Steuerhinterziehung geleistet hätten, ebenfalls vor Gericht gestellt würden.

Auch Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) machte klar: "Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und wird auch entsprechend geahndet." Das sei richtig so. Er äußerte sich im Deutschlandfunk zuversichtlich, dass künftig Kapitalerträge von Deutschen in der Schweiz durch einen Informationsfluss zwischen den Behörden besteuert werden können. Das sollte über die Ausweitung der EU-Zinsrichtlinie und zusätzliche Vereinbarungen mit der Schweiz gelingen. Er rechne zudem mit mehr strafbefreienden Selbstanzeigen von Steuerbetrügern, sagte Meister. Man könne jedem raten, der nicht all seine steuerpflichtigen Erträge deklariert habe, davon Gebrauch zu machen.

"Machen Sie sich ehrlich!"

Der stellvertretende Chef der SPD im Bundestag, Carsten Schneider, forderte, die strafbefreiende Selbstanzeige für Steuerbetrüger auf lange Sicht abzuschaffen. Sobald innerhalb Europas Steuerinformationen automatisch ausgetauscht würden, müsse die Selbstanzeige fallen, sagte er am Freitag im ARD-Morgenmagazin. "Ich kann nur allen raten, die jetzt noch Schwarzgeld tatsächlich im Ausland haben: Machen Sie sich ehrlich", sagte Schneider. Bereits Anfang der Woche hatten die Finanzminister der EU ihre Pläne für einen Austausch von Steuerinformationen weiter konkretisiert. Für eine Übergangsfrist sollen nach Ansicht Schneiders bei der Selbstanzeige härtere Regeln gelten als bisher. Die hinterzogenen Steuern müssten demnach vollständig nachgezahlt werden und die Strafzuschläge sollten deutlich steigen.

Auf gute Nachbarschaft: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel fordert mehr Kooperation von Schweizer Banken.
Auf gute Nachbarschaft: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel fordert mehr Kooperation von Schweizer Banken.

© dpa

Das wird wahrscheinlich auch so kommen. Bereits Anfang März einigte sich eine Runde von Staatssekretären aus Bund und Ländern darauf, die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige "deutlich" zu erschweren. "Die Grundrichtung steht", sagte ein Beteiligter vor Beginn des Prozesses gegen Hoeneß. Einig seien sich die Staatssekretäre gewesen, dass ein Steuerbetrüger nunmehr all seine steuerrelevanten Finanzgeschäfte für "mindestens" die zurückliegenden zehn Jahre offenlegen muss, um in den Genuss der Strafverschonung zu kommen. Bislang gilt eine Erklärungsfrist von fünf Jahren. Außerdem soll der Strafzins bei Hinterziehung größerer Summen deutlich angehoben, vermutlich auf zehn Prozent verdoppelt werden. Ob an der Schwelle von 50.000 Euro an hinterzogenen Steuern festgehalten wird, ab der dieser Strafzuschlag verlangt wird, sei noch offen. Etliche Länder plädierten für eine Absenkung, hieß es in den Kreisen.

Heute müssen Steuerbetrüger, die mehr als 50.000 Euro pro Jahr und Steuerart hinterzogen haben, fünf Prozent Zuschlag zahlen, wenn sie sich offenbaren - zusätzlich zu Verzugszinsen von sechs Prozent je Jahr. Bei Summen von 50.000 Euro an beginnt "schwere Steuerhinterziehung". Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, zusammen mit den Ländern die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige weiterzuentwickeln.

Zu alldem kommen zwei Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH): Die Karlsruher Richter entschieden 2008 und 2012, dass Steuerhinterziehungen ab einer Million Euro in der Regel mit Gefängnis geahndet werden müssen - in der Regel ohne Bewährung. Bewährungsstrafen seien nur bei "besonders gewichtigen Milderungsgründen" möglich.

"Die Rechtstreue der Bevölkerung erhalten"

Laut Paragraf 370 der Abgabenordnung wird Steuerhinterziehung "in besonders schweren Fällen" mit Haftstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren betraft. Der BGH präzisierte in einem Urteil von 2008, dass bei Steuerschäden über 100.000 Euro eine Aussetzung der Haftstrafe nur aus "gewichtigen Milderungsgründen" möglich. Bei Steuerschäden von mehr als einer Million Euro müssen die Täter in der Regel ins Gefängnis, es sei denn, es liegen "besonders gewichtige Milderungsgründe" vor. Was keine Milderungsgründe von "besonderem Gewicht" sind, legte der BGH im Februar 2012 fest. Demnach zählt die vollständige Nachzahlung der hinterzogenen Steuern nicht dazu, weil ein Täter zu deren Zahlung "als ehrlicher Steuerpflichtiger ohnehin verpflichtet gewesen wäre". Eine Schadenswiedergutmachung verliert laut BGH zudem an Gewicht, wenn ein Angeklagter die hinterzogenen Steuern "angesichts seiner komfortablen Vermögensverhältnisse ohne erkennbare Einbuße seiner Lebensführung" zahlen konnte.

Selbst "erhebliche psychischen Belastungen" angesichts einer drohenden Haftstrafe sind laut BGH kein besonders wichtiger Milderungsgrund, weil jeder Angeklagte sich psychisch in einer ähnlichen Situation befindet. Überdies könne die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe geboten sein, um "die Rechtstreue der Bevölkerung auch auf dem Gebiet des Steuerrechts zu erhalten". (mit dpa/AFP/rtr)

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