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Versuchen sie's miteinander? Der designierte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und FDP-Chef Christian Lindner.

© Marius Becker/dpa

Nach der Landtagswahl in NRW: Das schwarz-gelbe Gespenst ist wieder da

Schwarz-Gelb in NRW? Auf Bundesebene werden da bereits Erinnerungen wach - etwa an Klientel-Politik wie die Hotel-Steuer. Vielleicht rettet genau das ja die SPD. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Ungefähr 8000 Stimmen fehlten den Linken in Nordrhein-Westfalen, um in den Landtag einziehen zu dürfen. 4,9 Prozent – das reicht eben nicht. Diese 8000 fehlenden Stimmen indes haben die Dynamik der Landtagswahl radikal verändert. Plötzlich ist wieder etwas möglich, was es seit langer Zeit weder auf Landes- noch auf Bundesebene gegeben hat, die schwarz-gelbe Koalition.

Da werden Erinnerungen wach – an Polemiken gegen „anstrengungslosen Wohlstand“ (Guido Westerwelle), Mehrwertsteuersenkungen für Hoteliers, Klientel-Politik. Es gab Zeiten, in denen das Adjektiv „neoliberal" ungefähr so verwerflich klang wie heute „rechtspopulistisch“. Wie unbeliebt ein schwarz-gelbes Bündnis auf Bundesebene wäre, weiß derzeit keiner genau, weil zu lange nicht danach gefragt worden war. Aber man darf davon ausgehen, dass nur Rot-Rot-Grün stärkere Abneigungsgefühle verursacht.

Von ihrem Selbstverständnis her sagen jedoch Christdemokraten wie Liberale, dass eine Koalition ihrer Parteien, falls möglich, alternativlos sei. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn meint, von einer schwarz-gelben Koalition in Nordrhein-Westfalen ginge „ein starkes Signal für den Bund“ aus. Jedenfalls dürfte es nicht ganz leicht für Armin Laschet und Christian Lindner sein, die Sache platzen zu lassen und sich in die große Koalition (Laschet) und Opposition (Lindner) zu flüchten.

Doch selbst, wenn es in Nordrhein-Westfalen nicht zu Schwarz-Gelb kommt: Das Gespenst ist zurück. Aus dem Konjunktiv Irrealis ist ein Konjunktiv Potentiales geworden. Die Umfragen auf Bundesebene mögen immer noch zu großer Vorsicht mahnen. Ganz wegdiskutieren aber lässt sich die Option nicht mehr.

Die Hälfte der Deutschen will Angela Merkel als Kanzlerin behalten

Für die Union ist das ein Problem, für die SPD ein Segen. Bislang lautete die Ausgangslage für die CDU: Die Hälfte der Deutschen will Angela Merkel als Kanzlerin behalten, sie ist der Fels in der Brandung, die Stabilitätsgarantin in einer Welt, die von Brexit, Donald Trump, Erdogan, Putin und EU-Hickhack geprägt ist. Außerdem befürwortet die Hälfte der Deutschen die Fortsetzung der Großen Koalition. Ein bisschen was Soziales tut den Schwarzen als kleiner Ausgleich ja ganz gut. Mit de, Erfolg der NRW-Wahl im Rücken hätte man der Bundestagswahl entspannt entgegensehen können.

Die SPD hingegen stand bis vor Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses in NRW vor lauter schlechten Alternativen: Martin Schulz austauschen geht nicht mehr, sich von der sozialen Gerechtigkeit verabschieden, geht auch nicht, als Regierungspartei Frontalopposition zu machen, funktioniert ohnehin nicht, und ein „Weiter so“ klingt mega verzagt.

Die Wiederauferstehung des schwarz-gelben Gespenstes indes weist den Ausweg aus der Malaise. Die neue Parole der Genossen wird lauten: Wir müssen das Land vor einer Neuauflage neoliberaler und konservativer Politik bewahren. Fortschritt statt Restauration, Gerechtigkeit statt Manchester-Kapitalismus. Eine neue Stärke der FDP kann die SPD für die Reaktivierung alter Feindbilder nutzen.

Huschte da nicht in der Wahlnacht ein kleines, verschmitztes Lächeln über das Gesicht von Martin Schulz? 8000 Stimmen, die den Linken fehlten: Erst am Morgen danach schwant es womöglich den ersten Sozialdemokraten, dass sie  ausgerechnet diese „krachende Niederlage“ vor einer noch größeren Pleite im September bewahrt.

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