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Der abgesperrte Wochenmarkt nach der Tat.

© dpa

Update

Messerattacke auf Henriette Reker: Thomas de Maizière sieht "Beleg für Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte"

Innenminister Thomas de Maizière fordert von der gesamten Gesellschaft ein "klares Zeichen gegen jede Form von Gewalt". Henriette Reker ist außer Lebensgefahr.

Nach dem Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker hat sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) besorgt über zunehmende Gewalt in der Flüchtlingsdebatte gezeigt. "Dieser feige Anschlag in Köln ist ein weiterer Beleg für die zunehmende Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte", teilte de Maizière am Samstag mit. Er sei schon "seit langem besorgt über die hasserfüllte Sprache und gewalttätigen Aktionen". Flüchtlinge, Helfer, Ehrenamtliche und Politiker würden angegriffen.

De Maizière rief alle Bürger auf, sich sachlich an der Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland zu beteiligen. "Nicht nur der Rechtsstaat muss hier mit voller Konsequenz reagieren, sondern die gesamte Gesellschaft ist aufgefordert, ein klares Zeichen gegen jede Form der Gewalt zu setzen." Die "abscheuliche Messerattacke" auf Reker sei auch "ein Angriff auf unsere Demokratie und unsere weltoffene Gesellschaft".

Viele Kölner versammelten sich am Samstagabend vor dem Historischen Rathaus, voller Bestürzung über die Messerattacke gegen die Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker. Unter ihnen ist waren viele Politiker, so auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), NRW-CDU-Chef Armin Laschet, der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner sowie Grünen-Politiker bildeten eine Menschenkette. „Wir stehen hier zusammen als Demokraten, um ein Zeichen zu setzen gegen diese verabscheuungswürdige Tat“, sagte Kraft. Ein 44-jähriger Mann hatte die parteilose Reker am Samstag auf einem Wochenmarkt mit einem Messer angegriffen. Die Polizei geht nach ersten Aussagen des Angreifers von fremdenfeindlichen Motiven aus. Reker ist als Kölner Sozialdezernentin auch für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig.

Die Oberbürgermeisterwahl wird trotz des Angriffs auf die parteilose Kandidatin Henriette Reker wie geplant an diesem Sonntag stattfinden. Das teilte die Stadtverwaltung am Samstag mit. Reker war am Samstag bei einem Messerangriff auf einem Wochenmarkt schwer verletzt worden. Danach hatte es Spekulationen über eine Wahl-Verschiebung gegeben. Auf einer Pressekonferenz am Nachmittag sagte Polizeipräsident Albers, die Aussagen von Augenzeugen, sowie des Täters legten ein rassistisches Motiv nahe. Auf der Fahrt vom Tatort zur Polizeidienststelle habe der Angreifer von "Ausländern" gesprochen.

Kölns-Noch-Oberbürgermeister Jürgen Roters hatte am Samstag auf dem Lokalsender KölnTV zuerst Einzelheiten benannt: Rekers Luftröhre betroffen. "In welchem Umfang weiß man nicht, und das muss jetzt sorgfältig diagnostiziert werden." Erst dann wisse man, "wie der Gesundheitszustand insgesamt ist." Der Kölner Stadtanzeiger gab dann am Nachmittag auf Twitter Entwarnung: "Zum Glück! Die Operation ist gelungen, Henriette Reker ist in einem stabilen Zustand." Professor Karl-Bernd Hüttenbrink, Direktor der Klinik für Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde der Uniklinik, sagte zur Prognose für die 58-jährige Reker: „Wir halten zum jetzigen Stand und bei normalem Verlauf die vollständige Wiederherstellung der Gesundheit von Frau Reker für wahrscheinlich.“ Die Ärzte wollten sich frühestens am Sonntagnachmittag wieder zum Zustand Rekers äußern, sagte ein Sprecher der Uni-Klinik.

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"Ich habe das wegen Rekers Flüchtlingspolitik getan", soll der Mann laut Zeugen gerufen haben. Zunächst wurde darüber spekuliert, dass der Mann psychisch verwirrt sei. Am späteren Nachmittag hieß es dann aus Sicherheitskreisen, dies sei wohl nicht der Fall.

Bei dem Täter handelt es sich um einen Arbeitslosen mit Wohnort in Köln, zuvor hat er sich in Düsseldorf aufgehalten. Der 44 Jahre alte Mann sei Hartz-4-Empfänger, war in Sicherheitskreisen zu hören. Auch wenn ein islamistischer Hintergrund offenbar auszuschließen sei, könnte es durchaus sein, dass der Mann sich an den Messerattacken junger Palästinenser in Israel orientiert habe, hieß es. In Jerusalem haben in den vergangenen Wochen mehrmals Palästinenser mit Messer auf jüdische Israelis eingestochen, es gab Tote und Verletzte.

Nach der Tat soll der 44-Jährige gesagt haben: "Ich habe das für euch getan". Anschließend ließ sich der Mann widerstandlos festnehmen. Die Sicherheitsbehörden konnten den Verdächtigen dem Bericht zufolge in ihren Datenbeständen bislang nicht finden. "Wir haben keine Erkenntnisse zu seiner Person", sagte Kölns Kripochef Norbert Wagner. Der mutmaßliche Täter soll in seiner Vernehmung ausgesagt haben, er sei vor 20 Jahren in der rechten Szene aktiv gewesen, seither aber nicht mehr. Zuletzt sei er jedoch mit ausländerfeindlichen Kommentaren im Internet aufgefallen, wie aus den Behörden verlautete.

Nach einem Bericht von Spiegel-Online hat der Mann sich Anfang der 90er Jahre in den Reihen der später verbotenen rechtsextremen Freiheitlichen Deutschen Arbeitspartei (FAP) engagiert. Sowohl 1993 als auch 1994 habe er offenbar an Rudolf-Hess-Gedenkmärschen in Fulda und Luxemburg teilgenommen. Die FAP galt als besonders aggressive Neonazi-Partei, aus deren Reihen auch rassistische Gewalttaten verübt wurden.

Auch eine weitere Politikerin, Anette von Waldow von der FDP, ist verletzt worden. Sie wurde mit zwei Stichen in die Seite getroffen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sprach von einem "Angriff auf uns alle".

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Reker, derzeit Sozialdezernentin in Köln, ist eine der aussichtsreichen Kandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag. Die parteilose Politikerin wird von Grünen, CDU und FDP unterstützt. Neben Reker werden auch dem SPD-Mann Jochen Ott Chancen auf das Amt attestiert. Insgesamt treten am Sonntag sieben Kandidaten an. Die ursprünglich für den 13. September geplante Wahl war wegen fehlerhafter Stimmzettel um fünf Wochen verschoben worden. (mit AFP/dpa/rtr)

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