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Ex-NPD-Vorsitzender Holger Apfel steht nach Parteiaustritt allein auf weiter Flur.

© dpa

Nach NPD-Austritt: Holger Apfel im Kreuzfeuer

Auch nach seinem Parteiaustritt flaut der Gegenwind für Holger Apfel nicht ab. Ein ehemaliger "Kamerad" legt ihm den Suizid nahe, doch um sein Mandat im sächsischen Landtag will er kämpfen.

Von Frank Jansen

Die rechte Szene ist aufgescheucht. Erst tritt Holger Apfel von den Posten des NPD-Chefs und des Vorsitzenden der Fraktion im sächsischen Landtag zurück, dann verlässt er Heiligabend auch noch die Partei – nach mehr als 20 Jahren Mitgliedschaft und allerlei hohen Funktionen. NPD-Anhänger und parteiungebundene Neonazis lassen nun im Internet reichlich Dampf ab. Im  rüden Ton, der auch unter den „Kameraden“ üblich ist.

„Ist doch die beste Nachricht des Jahres!!!“ schreibt ein „Trappwolf“ im braunen Infoportal „Altermedia“. Es sei auch Zeit geworden, „dass wir diesen faulen ,Apfel’ endlich los sind“. Der NPD-Kreisverband Unna  giftet auf derselben Webseite, „unter all denen, die uns belogen und betrogen haben, ist er eine besonders schäbige Existenz gewesen“. Apfel nehme hoffentlich „seine gesamte Bagage mit“. Das könnte eine Anspielung auf Apfels Anhänger in der Partei sein, aber auch auf seine Ehefrau. Bei Jasmin Apfel musste der Kreisverband Unna jedenfalls nicht lange warten. Sie hat, so berichtet es Altermedia, ebenfalls der NPD den Rücken gekehrt.

Am Fall Apfel lässt sich mal wieder  der mentale Zustand großer Teile des rechtsextremen Milieus ablesen. Der Hass, der in den Köpfen steckt, ist gewaltig. Ein NPD-Mann aus Sachsen-Anhalt, Michael G., hat bei Facebook Apfel empfohlen, sich umzubringen. „Der einzige Rat, den ich dem geschiedenen Parteivorsitzenden Holger Apfel auf den Tisch legen würde, besteht aus einer Pistole und exakt einer Patrone“, schrieb Michael G. Er ist nicht irgendein namenloser Parteimensch. Michael G. ist für die NPD als Bundestagskandidat angetreten. Und seine Empfehlung an Apfel, sich zu erschießen, wird von einem  hochrangigen NPD-Funktionär mit „Gefällt mir“ begrüßt. Der Mann tritt schon länger als harter Gegner Apfels auf.

Apfel selbst, der vergangenen  Donnerstag einen Burnout als Grund für den Rücktritt nannte, hat den Gegenwind offenbar nicht mehr ausgehalten. In einer Erklärung zum Abschied von der NPD verweist er auf den Facebook-Eintrag mit der Aufforderung zum Selbstmord. Offen bleibt, ob Apfel mit seinem Abgang aus Posten und Partei die Konsequenz aus einer persönlichen Verfehlung zieht oder einer Intrige seiner Feinde nicht gewachsen war. Schon kurz nach Apfels Rücktritt vom Amt des NPD-Chefs am vergangenen Donnerstag war in der Partei, aber auch in Sicherheitskreisen eine unappetitliche Geschichte zu hören. Apfel soll im August einen jungen Rechten sexuell belästigt haben. In seiner Erklärung zum Parteiaustritt will sich Apfel nicht mehr erinnern können, was an jenem Abend geschah – weil er alkoholisiert gewesen sei. Der sächsische NPD-Chef Holger Szymanski behauptet an diesem Donnerstag sogar in einer Mitteilung, Apfel werde in zwei Fällen vorgeworfen, betrunken junge Männer belästigt zu haben.

Das Parteipräsidium, das am Sonntag zu einer Sondersitzung zusammengetreten war, hält den Verdacht der sexuellen Belästigung für gravierend. Szymanski, habe dem Gremium berichtet, der Vorwurf sei von einem „jungen Kameraden“ bestätigt worden, sagte ein Funktionär dem Tagesspiegel. Das Präsidium verlangte dann von Apfel, einen Fragekatalog zu beantworten. Apfel antwortete auf seine Weise – am Mittwoch verkündete er seinen Austritt aus der NPD. Das Mandat im sächsischen Landtag will er aber offenbar behalten. Auf das Gehalt kann er scheinbar nicht verzichten.

Szymanski ist empört und verlangt von Apfel, sein Mandat aufzugeben.. Sollte er es behalten wollen, „wäre nach der menschlichen Enttäuschung über sein mutmaßliches persönliches Fehlverhalten, das insbesondere seine bisherigen politischen Weggefährten fassungslos gemacht hat, noch eine weitere Enttäuschung über seinen Umgang mit den Vorwürfen und den damit verbundenen Konsequenzen verbunden“, schreibt Szymanski in der Mitteilung.

Pastörs kehrt Apfel den Rücken

Aus Apfels Sicht ist die ganze Geschichte eine Intrige. Würde das stimmen, wäre jedoch seine Flucht aus Ämtern und Partei erstaunlich. Apfel hatte bereits mehrfach Intrigen ausgehalten und selbst auch kräftig in Machtkämpfen mitgemischt. Im November 2011 stürzte er auf dem Parteitag in Neuruppin (Brandenburg) den damaligen Vorsitzenden Udo Voigt. Obwohl Apfel viele Jahre Voigts Ziehsohn war. Voigt reagierte auf seine Abwahl mit guerilla-artigem Widerstand. In der NPD bildeten sich „Freundeskreise“ für Voigt, der selbst jedoch beim Parteitag im April in Weinheim (Baden-Württemberg) nicht gegen Apfel antrat – und auch gar nicht erschien.

Voigt ist jetzt wieder im Rennen. Udo Pastörs, der nun neben der Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern auch die Partei als kommissarischer Vorsitzender führen soll, hatte Voigt überraschend zu der Sondersitzung des Präsidiums am vergangenen Sonntag eingeladen. Das war ein deutliches Signal gegen Apfel. Das Zweckbündnis von Pastörs mit Apfel war offenbar schon zuvor zerbrochen. Im November 2011 hatten die Chefs der beiden Landtagsfraktionen gemeinsam Voigt abgesägt. Auch im März in Weinheim hielt Pastörs zu Apfel. Im Dezember war es vorbei.

NPD steht nach 50 Jahren vor Existenzkrise

Der NPD steht nun ein besonders schwieriges Jahr bevor. Die Führungskrise ist nur eine Herausforderung. Hinzu kommen die notorische Finanznot und das vom Bundesrat initiierte Verbotsverfahren. Außerdem hat die die Partei mehrere Wahlen zu bewältigen. Die NPD muss befürchten, dass die Apfel-Affäre ihr vor allem bei den Protestwählern schadet, die ideologisch nicht gefestigt sind und sich auch für die Linkspartei oder die „Alternative für Deutschland“ entscheiden könnten.

Größere Gefahr droht der NPD  besonders in Sachsen. Hier sitzt sie seit 2004 in Landtag, im kommenden Jahr will sie zum dritten Mal hinein. Ob das ohne Holger Apfel gelingt, der die NPD ins und im Dresdener Parlament geführt hatte, ist fraglich. Geleitet wird die Fraktion derzeit von Vizechef Johannes Müller. Der Arzt aus Sebnitz passt vom Typ her zum sächsischen NPD-Vorsitzenden Szymanski. Beide treten vergleichsweise ruhig auf, beide standen in Apfels Schatten. Das könnte für den Wahlkampf in Sachsen zu wenig sein.

Sollte die Partei ausgerechnet in ihrer Hochburg an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, würde sich die Krise noch einmal dramatisch verschärfen. Die NPD wäre 50 Jahre nach ihrer Gründung auch ohne Verbotsverfahren ein Fall für den Konkursverwalter.  

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