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Haut ab! Kippa auf! Protestaktion gegen das Beschneidungsverbot.

© dpa

Strafanzeige nach Beschneidung: Berliner Staatsanwälte prüfen neuen Fall

Der Streit um den religiösen Brauch geht weiter. Jetzt wird einem israelischen Mohel Körperverletzung vorgeworfen, weil er nach dem Eingriff aus der Wunde mit dem Mund Blut abgesaugt haben soll.

Trotz des seit Jahresbeginn geltenden Erlaubnisgesetzes geht die Berliner Staatsanwaltschaft einem neuen Fall religiöser Beschneidung nach. Eine Sprecherin bestätigte, es werde eine Strafanzeige gegen einen jüdischen Beschneider geprüft, der den Eingriff im März in der Synagoge der orthodoxen Gemeinschaft Chabad Lubawitsch in Wilmersdorf vorgenommen hatte. Der Tagesspiegel hatte über die religiöse Feier berichtet.

Dem neuen Gesetz zufolge darf zwar auch ein nicht als Arzt ausgebildeter sogenannter Mohel Neugeborene beschneiden, allerdings muss dies stets „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ geschehen. Der Mohel aus Israel hatte das Blut von der Wunde des Kindes nach einem alten, aber seltenen Brauch mit dem Mund abgesaugt. In der Anzeige, die dem Tagesspiegel vorliegt, wird ihm deshalb Körperverletzung vorgeworfen. Das Ritual, die sogenannte Metzitzah B’peh, sei „ein die Gesundheit des Kindes erheblich gefährdendes Verfahren“, weil Herpesviren übertragen werden könnten. Ein Neugeborenes habe noch keine körpereigene Immunabwehr, es könne zu Hirnhautentzündungen kommen. Damit liege ein offensichtlicher und gravierender Verstoß gegen ärztliche Regeln vor. Erstattet hat die Anzeige ein Verein von Opfern sexuellen Missbrauchs, der in der religiösen Beschneidung eine Verletzung der sexuellen Integrität erkennt. Die Metzitzah B’peh ist nur bei ultraorthodoxen und einigen orthodoxen jüdischen Gemeinschaften üblich.

Vor knapp einem Jahr hatte ein Urteil des Landgerichts Köln eine bundesweite Diskussion ausgelöst, weil es religiöse Beschneidungen generell als strafbar einstufte. Daraufhin hatte der Bundestag das Personensorgerecht im Bürgerlichen Gesetzbuch ergänzt. Ein Ermittlungsverfahren gegen einen bayerischen Rabbiner, der als Mohel tätig ist, wurde eingestellt.

Bei der Feier in Berlin wurde der Sohn von Yehuda Teichtal beschnitten. Teichtal ist einer der offiziellen Rabbiner der jüdischen Gemeinde. Für den Eingriff hatten die Eltern einen seit über 30 Jahren als Mohel tätigen Israeli nach Deutschland eingeladen. An der Zeremonie nahmen mehr als 400 Gäste teil, darunter auch Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, der sich zu der Anzeige allerdings nicht äußern will. Beschuldigt werden neben dem Mohel auch Teichtal und dessen Schwiegervater, der den Säugling gehalten hatte. Teichtal zeigte sich verwundert: „Es befremdet mich, dass in Deutschland einerseits lebendiges jüdisches Leben gewünscht wird, man sich in der Öffentlichkeit aber andererseits so kritisch mit den jüdischen Traditionen auseinandersetzt.“

Ob der Metzitzah- Ritus vom Gesetz gedeckt wird, ist offen. „Zentral und unabdingbar für die Berechtigung der Eltern zur Einwilligung ist, dass die Beschneidung des männlichen Kindes fachgerecht durchgeführt werden soll“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Vergangenen Herbst hatte die Rabbinerin und Urologin Antje Yael Deusel vor dem Bundestags-Rechtsausschuss die Bedeutung von Sterilität und Schmerzbekämpfung bei Eingriffen nach jüdischem Ritus betont: „Ein direktes Absaugen von Blut aus der Wunde ist obsolet und unbedingt zu unterlassen.“

In den USA wird über die Zulässigkeit dieses speziellen Ritus gestritten. Die New Yorker Gesundheitsbehörde gibt an, dass bei jährlich geschätzten 3600 Fällen in der Stadt im Durchschnitt ein Säugling mit dem Herpesvirus angesteckt worden sei.

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