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Präsident Hassan Ruhani in Kermanschah, Iran.

© dpa/Iranian President Office

Update

Proteste im Iran: Mindestens zehn Tote bei Protesten - Ruhani räumt "Mängel" ein

Seit Tagen gehen tausende Iraner auf die Straße, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Es kam zu 200 Festnahmen. Am Montag fand im Parlament in der Hauptstadt Teheran eine Krisensitzung statt.

Irans Präsident Hassan Ruhani hat sich nach den regimekritischen Protesten mit den Demonstranten solidarisch gezeigt. Gleichzeitig warnte er aber vor Ausschreitungen, die die Sicherheit des Landes und Volkes gefährden könnten. „Wir sind ein freies Land und daher haben die Menschen auch ein Recht auf Meinungsfreiheit“, sagte Ruhani am Sonntag. Es sei auch die Aufgabe der Regierung, den Forderungen der Menschen nachzugehen und sie zu erfüllen. Aber all dies sollte in einem gesetzlichen und friedlichen Rahmen durchgeführt werden, so der Präsident in seiner ersten Reaktion zu den Protesten der vergangenen Tage.

„Wir haben eure Probleme gehört“, sagte Ruhani. Er wies jedoch einige Medienberichte zurück, die die Proteste nur auf seine Regierung bezogen hatten. Die Demonstranten kritisierten laut Ruhani nicht nur die wirtschaftlichen Probleme. Viele von ihnen hätten auch auf die „Intransparenz“ im gesamten System des Landes, unter anderem in der Justiz, hingewiesen. In einer Kritik an den Hardlinern im Land deutete er darauf hin, dass die Regierung in vielen Fällen nicht die Macht habe, all ihre Programme umzusetzen.

Sein Vizepräsident Ishagh Dschanhgiri hatte am Freitag gesagt, dass die ersten Proteste in Maschhad im Nordostiran von Hardlinern organisiert wurden, um Ruhanis Reformkurs zu schwächen. Dschanhgiri warnte bereits zu Beginn, dass die Proteste außer Kontrolle geraten könnten.

Besonders heftig kritisierte Ruhani die Tweets von US-Präsident Donald Trump über die Proteste und bezeichnete ihn als Heuchler. „Dieser Herr in den USA, der sich jetzt besorgt um das iranische Volk zeigt, hat vor Kurzem das gleiche Volk als Terroristen bezeichnet“, sagte Ruhani. Jemand, „der von Kopf bis Fuß“ gegen den Iran sei, sollte nun nicht den Besorgten vorheucheln, so der Kleriker.

US-Präsident Donald Trump hatte sich auf Twitter erneut zu den Protesten geäußert und geschrieben: "Den Menschen wird endlich klar, wie ihr Geld und ihr Wohlstand gestohlen und für Terrorismus verschleudert wird. Es sieht so aus, als ließen sie sich das nicht länger gefallen." Die USA sähen sehr genau hin für den Fall, dass es zu Menschenrechtsverletzungen komme. Trump hat dem Iran wiederholt vorgeworfen, Terrorismus zu unterstützen und sich nicht an das internationale Atomabkommen zu halten.

Zugang zum Internet eingeschränkt

Die iranische Regierung hatte am Sonntagnachmittag den Zugang vom Handy zu den sozialen Netzwerken Telegram und Instagram gesperrt. Die Sicherheitsbehörden hätten beschlossen, "vorläufig Telegram und Instagram zu blockieren", meldete das Staatsfernsehen auf seiner Internetseite. Die iranischen Behörden werfen "konter-revolutionären Kräften" im Ausland vor, die derzeitigen landesweiten Proteste gegen die Regierung über die sozialen Netzwerke anzustacheln.

Vor allem der Messenger-Dienst Telegram wird von den iranischen Behörden ins Visier genommen. Telekommunikationsminister Mohammed Dschawad Asari sagte im Staatsfernsehen, "bestimmte konter-revolutionäre Elemente" hätten am Samstagabend die sozialen Netzwerke genutzt, um den Demonstranten den Gebrauch von Feuerwaffen und Molotow-Cocktails beizubringen. Zuvor hatte er bereits einem Telegram-Dienst vorgeworfen, einen "bewaffneten Aufstand" zu unterstützen.

Der Chef des verschlüsselten Messenger-Dienstes, Pavel Durov, hatte daraufhin die Schließung des Kanals Amadnews wegen Anstachelung zur "Gewalt" bekannt gegeben. Der Dienst hatte fast 1,4 Millionen Abonnenten. Allerdings entstanden sofort neue Dienste auf Telegram, darunter sedaiemardom, der binnen weniger Stunden mehr als 700.000 Abonnenten zählte. Über den Dienst wird zu Demonstrationen aufgerufen, auch Videos der Proteste werden verbreitet. Zu der Blockade von Telegram für die meisten Iraner sagte Durov nun, dies sei nach der Weigerung von Telegram erfolgt, auch andere Dienste zu schließen, die zu "friedlichen Demonstrationen" aufrufen.

Mindestens zehn Tote bei Protesten

Bei den regierungskritischen Protesten im Iran starben nach Angaben des Staatsfernsehens bis Montag mindestens zehn Demonstranten im Zentral-, West und Südwestiran. Zwei weitere Menschen - ein alter Mann und ein Kleinkind - kamen bei einem Unfall während der Proteste im westiranischen Dorud um. Das Staatsfernsehen berichtete, in mehreren Städten hätten angeblich bewaffnete Demonstranten staatliche Einrichtungen attackiert. Angriffe auf Polizeiwachen sowie Militärkasernen seien jedoch von Polizei und Sicherheitskräften vereitelt worden, berichtete das Staatsfernsehen, ohne Details zu nennen.

Der Vize-Gouverneur betonte, die Sicherheitskräfte hätten nicht auf die Demonstranten geschossen. Vielmehr gebe es Hinweise auf eine Beteiligung der Terrormiliz Islamischer Staat, behauptete Chodschasteh laut iranischen Medien am Sonntag. Ein Fernsehsender der Revolutionswächter berichtete, "mit Jagd- und Militärwaffen" ausgerüstete Menschen hätten sich unter die Demonstranten gemischt und ziellos in die Menge und auf den Gouverneurssitz gefeuert.

Am Samstag wurden rund 200 Menschen festgenommen. Das meldete die Nachrichtenagentur Ilna am Sonntag unter Berufung auf den Vize-Gouverneur der iranischen Hauptstadt, Ali Asghar Nasserbacht. Unter den Festgenommenen seien "40 Anführer illegaler Versammlungen". Die Gefassten seien der Justiz übergeben worden. Mehrere festgenommene Studenten seien hingegen wieder freigekommen, wurde der Vize-Gouverneur weiter zitiert. Bislang war von dutzenden Festnahmen landesweit die Rede gewesen.

Konservativen Medien zufolge wurde am Samstagabend ein Bürgermeisteramt in Teheran und ein Polizeiauto angegriffen, Demonstranten attackierten demnach auch Banken und kommunale Gebäude in anderen Teilen des Landes. An der Teheraner Universität demonstrierten am Samstag dutzende Studenten gegen die Staatsführung. Sie wurden jedoch von hunderten regierungstreuen Gegendemonstranten vertrieben. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Am Montag fand im Parlament in der Hauptstadt Teheran eine Krisensitzung statt, an der Präsident Hassan Ruhani und Mitglieder der Sicherheitskommission teilnahmen. Ruhani sagte in der Sitzung, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen. „Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten“, sagte der Präsident. Er kritisierte damit indirekt die Hardliner, die die Umsetzung seiner politischen und kulturellen Reformen blockieren.

Protest nahe der Universität in der iranischen Hauptstadt Teheran.
Protest nahe der Universität in der iranischen Hauptstadt Teheran.

© Reuters

Innenminister Abdolrahman Rahmani Fasli sagte am Sonntag im Staatsfernsehen, die Regierung werde gegen "die Verbreitung von Gewalt, Angst und Terror" vorgehen. Wer "die Ordnung stört und gegen das Gesetz verstößt, muss sich dafür verantworten und wird dafür bezahlen". Die iranische Regierung sieht sich seit Donnerstag mit Protesten konfrontiert. Am Samstag gingen landesweit erneut tausende Demonstranten auf die Straße, Berichten zufolge wurden Verwaltungsgebäude angegriffen. Auch in Berlin kam es zu Protesten.

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Bundesregierung fordert Achtung der Menschenrechte

Die Bundesregierung rief die iranische Regierung zur Achtung der Rechte der Demonstranten auf. „Die Bundesregierung verfolgt die Berichte über die Demonstrationen in verschiedenen Städten Irans sehr aufmerksam“, teilte das Auswärtige Amt am Sonntag auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. „Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind hohe Güter. Wir rufen die Regierung von Präsident Ruhani auf, die Rechte der Protestierenden zu achten und besonnen zu handeln. Gleichzeitig appellieren wir an alle Beteiligten, ihre Anliegen friedlich zum Ausdruck zu bringen.“

Angesichts der sich zuspitzenden Lage passte das Auswärtige Amt seine Reisehinweise für den Iran an. „Aktuell ist im gesamten Land mit politisch motivierten Demonstrationen zu rechnen, die von einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften begleitet werden“, heißt es in der neuen Version. „Auf öffentlichen Plätzen sollten Reisende erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen, Kundgebungen sowie größere Menschenansammlungen meiden und Filmaufnahmen, auch mit dem Handy, im eigenen Interesse unterlassen.“

Am Donnerstag waren bei einer regierungskritischen Demonstration in Maschhad mindestens 52 Menschen festgenommen worden. Die Proteste richteten sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit und Preissteigerungen, später jedoch auch gegen die Regierung und Staatschef Hassan Ruhani. Nach den Worten von Innenminster Abdulresa Rahmani Fasli sei das ein Aufstand gegen das eigene Volk. „Problem mit Gewalt und Terror zu lösen, ist keine Option (...) - das können und werden wir nicht mehr dulden“, sagte der Minister am Sonntag. Daher werde die Polizei bei weiteren Ausschreitungen konsequent eingreifen. (mes, dpa, AFP)

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