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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

© Reuters/ Francois Lenoir

Nach Trump-Entscheidung: EU weist Forderung Netanjahus nach Jerusalem-Anerkennung zurück

Netanjahu fordert von den EU-Staaten, sich in der Jerusalem-Frage ein Beispiel an Trump zu nehmen. Von Mogherini bekommt er jedoch eine Abfuhr. Sie pocht auf eine Verhandlungslösung für die heilige Stadt.

Die EU hat Forderungen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nach Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt seines Landes eine klare Absage erteilt. „Er kann seine Erwartungen an andere richten, denn von der Seite der EU-Mitgliedstaaten wird dieser Schritt nicht kommen“, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montag nach einem knapp zweistündigen Treffen der EU-Außenminister mit Netanjahu in Brüssel.

Die Italienerin machte zudem deutlich, dass die einseitige Anerkennung Jerusalems durch die USA aus EU-Sicht eher eine Gefahr als eine Chance für den Frieden darstellt. Der Beginn neuer Friedensverhandlungen erscheine derzeit „in sehr weiter Ferne“, sagte Mogherini. Ihrer Einschätzung nach hätten die USA bislang noch nicht einmal einen Rahmen und Horizont für ihren angekündigten Vorschlag für neue Friedensgespräche definiert. Diesen brauche es aber für Verhandlungen.

Netanjahu hatte die EU-Staaten zuvor aufgefordert, dem US-Beispiel zu folgen und Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. „Grundlage für Frieden ist, die Realität anzuerkennen“, sagte Netanjahu. „Jerusalem ist die Hauptstadt Israels und niemand kann das verneinen.“ Mit Blick auf die europäischen Forderungen nach einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Palästinensern verwies Netanjahu auf die US-Vorbereitungen für einen neuen Vorschlag. „Wir sollten uns anschauen, was präsentiert wird und ob wir das voranbringen können.“

Mogherini: Lösung des Konflikts nur durch direkte Verhandlungen

Netanjahu sagte später in einem auf Twitter veröffentlichten Video aus dem Flugzeug, er habe die EU-Außenminister aufgefordert, „damit aufzuhören, die Palästinenser zu verhätscheln“ und ihnen gegenüber zu nachsichtig zu sein. Netanjahu sagte: „Ich glaube, dass die Palästinenser zurück auf den Boden der Tatsachen geholt werden müssen.“ Dies sei die einzige Möglichkeit, Frieden zu erzielen.

Mogherini machte hingegen deutlich, dass eine einseitige Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt für die Europäische Union nicht infrage komme. Eine Lösung des Konflikts könne nur durch direkte Verhandlungen erreicht werden, sagte sie. Ziel müsse aus Sicht der EU eine Zwei-Staaten-Lösung sein, bei der Jerusalem Hauptstadt beider Seiten sein solle. Über die Jerusalem-Krise und Syrien wollten am Montag auch der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan sprechen.

Seit der von US-Präsident Donald Trump getroffenen Entscheidung, Jerusalem einseitig als Hauptstadt Israels anzuerkennen, kam es im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und im Gazastreifen bereits zu teils heftigen Unruhen. Das Schlimmste, was in Jerusalem und der Region derzeit passieren könne, sei eine neue Eskalation der Spannungen und der Gewalt, sagte Mogherini.

Bei neuen Zusammenstößen mit israelischen Soldaten wurden am Montag am Rande des Gazastreifens mindestens drei Palästinenser verletzt. Auch im Westjordanland gab es bei vereinzelten Protesten nahe Ramallah und Hebron mehrere Verletzte.

Seit Beginn der Unruhen wurden vier Palästinenser bei Protesten und israelischen Luftangriffen im Gazastreifen getötet - davon zwei Kämpfer der radikal-islamischen Hamas. Rund 400 Palästinenser erlitten nach Angaben des Gesundheitsministeriums Schussverletzungen und mehr als tausend wurden durch Tränengas verletzt. 13 israelische Polizisten wurden verletzt und ein Wachmann erlitt bei einem Anschlag in Jerusalem schwere Stichwunden.

Radikal-islamische Hamas rief immer wieder zu neuer Intifada auf

Seit dem Wochenende haben sich die Proteste etwas abgeschwächt. Es gibt jedoch Aufrufe aller palästinensischen Fraktionen, am kommenden Freitag nach den muslimischen Mittagsgebeten neue Proteste abzuhalten. Die radikal-islamische Hamas hat in den vergangenen Tagen immer wieder zu einem neuen Palästinenseraufstand (Intifada) aufgerufen.

Netanjahu hatte sich nach Angaben aus EU-Kreisen mit Unterstützung des litauischen Außenministers Linas Linkevicius quasi selbst zu dem EU-Außenministertreffen eingeladen. Die EU könne eine wichtigere Rolle im Nahost-Konflikt übernehmen als bisher, sagte Linkevicius vor dem Treffen. „Aber das ist unmöglich ohne direkten Kontakt.“

Zuletzt war ein israelischer Premierminister vor 22 Jahren zu EU-Gesprächen nach Brüssel gekommen. Unter anderem aus Protest gegen die israelische Siedlungspolitik hatte die EU die Zusammenarbeit mit dem Land jüngst nicht mehr ausgebaut.

Um das Treffen mit Netanjahu an diesem Montag nicht wie eine einseitige Unterstützung für Israel aussehen zu lassen, hat Mogherini bereits angekündigt, dass zum nächsten EU-Außenministertreffen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas eingeladen wird. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel ließ sich bei dem Termin mit Netanjahu wegen einer Erkrankung im familiären Umfeld entschuldigen.

Bereits am Sonntag hatte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Netanjahu in Paris getroffen und ihn zu „mutigen Gesten“ gegenüber den Palästinensern aufgefordert. Als mögliche Geste nannte Macron auf Nachfrage ein Einfrieren der israelischen Siedlungspolitik. (dpa)

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