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Olaf Scholz hat ein internes Papier zur Lage der SPD vorgelegt.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Update

Nach Wahldebakel im Bund: SPD-Vize Scholz fordert Ende der "Ausflüchte"

SPD-Vize Scholz sieht in der Partei Probleme "grundsätzlicher" Art - und benennt fünf Fehler. Der "Seeheimer Kreis" warnt vor einer Personaldebatte.

In der Debatte über die Zukunft der SPD meldet sich Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz mit scharfen internen Mahnungen zu Wort. In einem auf seiner Homepage veröffentlichten Thesenpapier geht der stellvertretende SPD-Chef hart mit seiner Partei ins Gericht und fordert eine "schonungslose Betrachtung der Lage". Zuerst hatte die "Süddeutsche Zeitung" darüber berichtet.

Scholz verlangt bei der Analyse des historisch schwachen Bundestagswahlergebnisses von nur 20,5 Prozent auf intern immer wieder bemühte "Ausflüchte" zu verzichten. Die Probleme der Partei seien "grundsätzlicher". Dabei zählt er fünf Ausflüchte auf.

Erstens kritisiert er, dass nach jeder gescheiterten Bundestagswahl die fehlende Mobilisierung der SPD zuneigender Wähler thematisiert werde. Diesmal sei von der SPD vorbildlich mobilisiert worden. Sie habe in kurzer Zeit mehr als 25.000 neue Mitglieder gewonnen. "Fehlende Mobilisierung erklärt dieses Wahlergebnis also nicht", schreibt Scholz.

Scholz kritisiert Schwäche der SPD im Bundestag

Als zweiten Punkt führt Scholz an, die Stärke der SPD in Ländern und Kommunen habe einen klaren Blick auf die tatsächliche Schwäche der SPD im Bundestag vernebelt. Was er genau damit meint, bleibt offen. Nachdem in NRW und Schleswig-Holstein seit diesem Sommer die Unionspolitiker regierten, müsse die Lage "endlich genauer betrachtet werden".

Als dritte "Ausflucht" nennt Scholz den angeführten mangelnden Fokus auf soziale Gerechtigkeit. Niemand bezweifele, schreibt Scholz, dass die sozialpolitischen Beschlüsse der rot-grünen Koalition, insbesondere die 2003 angekündigte Agenda 2010 und die Rentenbeschlüsse zu Beginn der anschließenden großen Koalition, der SPD Kraft und Zustimmung gekostet habe. In beiden großen Koalitionen habe die SPD allerdings zahlreiche Reformen vorangetrieben. Und der vergangene Bundestagswahlkampf habe ganz im Zeichen der sozialen Gerechtigkeit gestanden. "Es ist daher nicht plausibel möglich, das Wahlergebnis damit zu begründen, dass die SPD sich nicht genügend für soziale Gerechtigkeit einsetze", schreibt Scholz.

Auch die fehlende Machtoption lässt Scholz als "Ausflucht 4" nicht gelten. Die SPD habe die Frage, wie die Partei einen Regierungsauftrag erhalte, für jedermann beantwortet. Zudem seien auch stets verschiedene Optionen, solange sie rechnerisch möglich gewesen seien, in der Öffentlichkeit erörtert worden. "Die Partei hat sich klug fast vollständig aus den Debatten herausgehalten, findet Scholz.

Auch vermehrte Konkurrenz lässt er nicht gelten

Als fünfte "Ausflucht" führt Scholz an, dass argumentiert würde, die Partei könne nicht zu alter Stärke zurückkehren wegen der wachsenden Konkurrenz durch zusätzliche Parteien. "Wenn die Wahlergebnisse so ausgefallen wären, wie das Frühjahr hoffen lassen durfte, säßen auch sechs Fraktionen im Bundestag. Aber ein Sozialdemokrat wäre Kanzler", analysiert Scholz.

Scholz gilt vielen Beobachtern als potenzieller Gegenspieler des angeschlagenen Parteichefs Martin Schulz. Während dieser zuletzt "Mut zur Kapitalismuskritik" gefordert hatte, plädiert Scholz für einen pragmatischen Kurs, der wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit verbinden solle. Auch in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung werde eine florierende Wirtschaft "eine zentrale Voraussetzung sein, um eine fortschrittliche Agenda zu verfolgen", schreibt Scholz.

Johannes Kahrs hält Martin Schulz für unangefochten

Der "Seeheimer Kreis" in der SPD  hat die Sozialdemokratie vor eine Personaldebatte um Schulz gewarnt. "Es ist richtig, wenn wir nach der schweren Wahlniederlage kontrovers über Richtung und Kurs diskutieren", sagte der Sprecher der im "Seeheimer Kreis" organisierten konservativen SPD-Flügels, Johannes Kahrs, dem Tagesspiegel.  "Ich warne aber davor, aus der inhaltlichen Diskussion eine grundsätzliche Personaldebatte zu machen." Schulz sei "als Parteichef schon deshalb unangefochten, weil es keinen anderen Bewerber gibt", fügte Kahrs hinzu. Zugleich stellte sich der Hamburger Bundestagsabgeordnete hinter das Thesen-Papier von Scholz. "Ich kann viele Punkte so unterschreiben."

Der Anti-Schulz: Schon vor der Niedersachsen-Wahl haben unsere Redakteure Stephan Haselberger und Hans Monath die Rolle von Olaf Scholz in der SPD analysiert.

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