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Israelische Soldaten enterten 2010 vor Gaza die „Mavi Marmara“. Dabei kamen neun Aktivisten ums Leben.

© Emrah Dalkaya/Reuters

Naher Osten: Israel und die Türkei: Zurück zur Normalität

Seit Jahren stecken die türkisch-israelischen Beziehungen in einer schweren Krise. Nun könnten die beiden Staaten ihren Streit beilegen.

Die Türkei und Israel sind nach Angaben der Regierung in Ankara bei ihren Bemühungen um eine Normalisierung ihrer Beziehungen weit gediehen. Eine Einigung könnte schon bald erzielt werden, erklärte das türkische Außenamt, auch Ministerpräsident Ahmet Davutoglu äußerte sich optimistisch. Tatsächlich könnten beide Staaten von einer Rückkehr zu normalen Beziehungen profitieren. Doch auf beiden Seiten gibt es nach wie vor starke Vorbehalte.

Vor sechs Jahren, am 31. Mai 2010, stürzten die türkisch-israelischen Beziehungen in eine Krise, von der sie sich bis heute nicht erholt haben. Israelische Soldaten stürmten das türkische Schiff „Mavi Marmara“, das mit Hilfsgütern auf dem Weg zum von Israel blockierten Gaza-Streifen war. Neun türkische Aktivisten an Bord des Schiffes starben bei dem Einsatz. Die Türkei warf darauf den israelischen Botschafter aus dem Land und fuhr die Kontakte zum jüdischen Staat auf ein Minimum herunter.

Ankara fordert Ende der Gaza-Blockade

Unter dem Druck der USA entschuldigte sich Israel vor drei Jahren für den Gewalteinsatz und erfüllte damit eine wichtige Bedingung der Türkei für die Rückkehr zur Normalität. Inzwischen sollen sich Unterhändler auf israelische Entschädigungszahlungen von rund 20 Millionen Dollar an die Opferfamilien geeinigt haben. Im Gegenzug verlangt Israel das Ende eines in Abwesenheit der Angeklagten geführten türkischen Strafprozesses gegen die für die „Mavi-Marmara“-Aktion verantwortlichen Militärs.

Eine zentrale Forderung steht der endgültigen Einigung im Wege: Ankara will das Ende der Gaza-Blockade oder zumindest Zugang für türkische Hilfsgüter zu dem vom Israel-Todfeind Hamas regierten Gebiet. Berichten zufolge schlägt die Türkei unter anderem die Entsendung von Schiffen mit riesigen Generatoren an Bord vor. Diese sollen vor der Küste von Gaza als schwimmende Kraftwerke fungieren und so die Energiekrise in dem Palästinenser-Gebiet lindern. Kein Wunder, dass Israel zögert. Ein solcher Schritt würde die Türkei zu einem wichtigen Akteur im Konflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern machen. Damit können sich die Verantwortlichen in Jerusalem nur schwerlich anfreunden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

© REUTERS

In den vergangenen Jahren war Recep Tayyip Erdogan häufig mit scharfer antiisraelischer Rhetorik aufgefallen – nun kündigte der türkische Präsident an, bald als Trauzeuge an einer jüdischen Hochzeit in Istanbul teilzunehmen. Und betonte, beide Länder brauchten einander. Ankara ist auf der Suche nach Partnern im Nahen Osten, in dem die Türkei mittlerweile sehr isoliert ist. Zudem könnten vor der israelischen Küste entdeckte Erdgasfelder dazu beitragen, die Abhängigkeit der Türkei von Gaslieferungen aus Russland zu senken.

Allerdings will die Erdogan-Regierung die eigene islamisch-konservative Wählerschaft nicht durch eine jähe politische Wende verärgern. Schon jetzt versuchen islamistische Medien und die islamische Hilfsorganisation IHH als Eignerin der „Mavi Marmara“, die mögliche Niederschlagung des Prozesses gegen israelische Offiziere zu verhindern. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin bekräftigte daher, ohne ein Ende der Gaza-Blockade werde es keine Einigung geben. Kalin widersprach damit optimistischeren Stellungnahmen aus dem Außenamt. Innenpolitische Erwägungen könnten die Annäherung an Israel also noch verhindern.

Israel Premier Netanjahu hat durchaus Intersse, das Verhältnis zur Türkei zu normalisieren.
Israel Premier Netanjahu hat durchaus Intersse, das Verhältnis zur Türkei zu normalisieren.

© Abir Sultan/Reuters

Ein echtes Drama wäre das für den jüdischen Staat wohl dennoch nicht. Israel hat während der diplomatischen Eiszeit neue Verbündete in der Region gesucht – und gefunden. Die Allianz mit Athen zum Beispiel ist von Jerusalem in den vergangenen Jahren gezielt ausgebaut worden. „Inzwischen verbindet Griechenland und Israel eine enge Partnerschaft, auch in wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fragen“, sagt Shimon Stein, Senior Fellow am Institut für Nationale Sicherheitsstudien der Universität Tel Aviv. „Damit hat man den Rückschlag in den israelisch-türkischen Beziehungen teilweise kompensiert.“

Erdogan - ein "unberechenbarer Partner"

Dennoch sei es im Interesse der Regierung in Jerusalem, das Verhältnis zur Türkei zu normalisieren. „So intensiv wie früher wird es aber wohl kaum noch mal werden, zumindest nicht unter Erdogan“, sagt der frühere israelische Botschafter in Deutschland. Vor „Mavi Marmara“ arbeiteten sogar die Militärs und die Geheimdienste zusammen. „Daran ist heute nicht zu denken.“ Denn auch das ist laut Experte Stein für Israel ein Grund zur Vorsicht: Erdogan gilt als sehr unzuverlässiger, unberechenbarer Partner. „Wer auf den türkischen Präsidenten setzt, kann danebenliegen.“ Auch diese schmerzliche Erfahrung habe Israel machen müssen.

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