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Mit Blendgranaten bewerfen die Hooligans Polizisten.

© dpa

Update

Nationalfeiertag in Polen: Randale in Warschau - Polizei nimmt 280 Hooligans fest

Die Szenen erinnern an einen Bürgerkrieg: Am Rande einer Demo in Warschau kam es zu schweren Straßenschlachten. Die Polizei nahm fast 280 randalierende Hooligans fest. Die rechtsradikalen Demonstranten fordern die alten polnischen Ostgebiete wie Lemberg und Vilnius zurück.

Es sieht fast aus wie im Bürgerkrieg. Immer wieder steigen beim polnischen Nationalstadion Blendgranaten auf, dann sind am nahen Dmowski-Denkmal Gummischrotsalven zu hören. Eigentlich hätte hier eine 50-köpfige Delegation verschiedener rechtsradikaler Parteien Blumen anlässlich des Unabhängigkeitstags niederlegen sollen, doch angekommen sind nur ein halbes Dutzend Rentner. „Die Polizei hat unsere friedliche Demonstration angegriffen, jetzt werden dort alle zusammengeschlagen, auseinander getrieben oder verhaftet“, erbost sich ein älterer Mann mit geschulterter Polenflagge.

Mehr als ein Dutzend Verletzte

Bei Straßenschlachten am Rande eines rechtsradikalen – laut Schätzungen mehrere Zehntausende Demonstranten umfassenden – Marsches der „Armee der Patrioten“ sind in der polnischen Hauptstadt Warschau am Dienstagabend 23 Polizisten und 24 andere Menschen verletzt worden. Fast 280 gewaltbereite Teilnehmer wurden verhaftet. Laut Polizeiangaben hatten sich kurz vor Ende des Marsches gewaltbereite Hooligans vor die Demonstration gedrängt und die Polizei mit Rauchbomben und Pflastersteinen beworfen. Die von dem ultra-katholischen, rechts-konservativen Fernsehsender „Trwam“ unterstützten Demonstranten distanzierten sich sofort von den Randalierern. Auf einer Rednerbühne vor dem Nationalstadion forderten mehrere von ihnen stattdessen eine Abkehr vom Verzicht auf die einstigen Ostgebiete Zwischenkriegspolens. Lemberg und Vilnius seien eigentlich polnische Städte, aufrechte Patrioten würden das nie vergessen, sagte der Hauptorganisator Robert Winnicki. Währendessen liefern sich die Krawallmacher auf dem nahen Washington-Rondo über zwei Stunden eine wüste Straßenschlacht.

Braunhemden unterwegs

Für zwei junge Nationalpatrioten ist die Schuld an den Ausschreitungen sonnenklar: „Die Polizei hat zuerst angegriffen“, erklärten sie dieser Zeitung. Eine Demonstrationsteilnehmerin berichtet von angeblichen „Anarchisten“, die den Umzug der „Armee der Patrioten“ zuerst angegriffen hätten und später von der Polizei unterstützt worden seien.

Wenige Meter entfernt marschiert eine rund zwanzigköpfige Gruppe zwischen Trachtenverein und Paramilitärs vorbei. An den braunen Hemden tragen sie Armbinden in den polnischen Nationalfarben, einer trägt eine Pistole im Halfter. Ob es nur eine Attrappe ist, lässt sich in dem Gewühl der sich auflösenden Demonstration nicht ausmachen. In einiger Entfernung werden immer noch Blendgranaten in die Polizeikordons geschleudert. „Es war wie früher unter den Kommunisten: das Tränengas würgt mir den Atem ab“, klagt eine ältere Frau. Mit von der Partie sind neben französischen und schwedischen Neonazis auch eine große Delegation der rechtsradikalen Jobbik-Partei aus Ungarn.

5000 Polizisten im Einsatz

Warschau hatte bereits tagelang vor dem geplanten Marsch Rechtsradikaler quer durch die Innenstadt auf die östliche Weichselseite zum Denkmal des umstrittenen Zwischenkriegspolitikers Roman Dmowski gezittert. Die „Armee der Patrioten“ wollte für ihren „Unabhängigkeitsmarsch“ bis zu 150000 Teilnehmer in Bussen in die Hauptstadt karren. Bereits seit ein paar Jahren kommt es am Rande dieser- vor dem Absturz der polnischen Präsidentenmaschine im russischen Smolensk nur ein paar Hundert Glatzköpfe umfassenden - rechtsradikalen Machtdemonstration zu wüsten Ausschreitungen. Abenteuerliche Kooperationen bis weit ins bürgerliche, nationalkonservative Lager rund um Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski sowie mit der Fußballhooligan-Szene haben den Organisatoren inzwischen Tausende teils gewaltbereite Teilnehmer in die Hände getrieben. Die Polizei hatte deshalb rund 5000 Beamte aus dem Umland in Warschau zusammengezogen.

Mehrere zehntausend rechtsradikale Demonstranten sind zum Unabhängigkeitstag nach Warschau gekommen.
Mehrere zehntausend rechtsradikale Demonstranten sind zum Unabhängigkeitstag nach Warschau gekommen.

© AFP

Auch gewaltfreie Paraden

Neben dem Marsch der Rechtsextremen waren neun weitere Straßenumzüge von der Polizei bewilligt worden, darunter auch der Umzug des Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski, der zusammen mit der neuen Regierungschefin Ewa Kopacz und den Präsidenten beider Volkskammern fast drei Stunden unter dem Motto „Zusammen für die Unabhängigkeit“ durch Warschau marschiert.
Als erster setzte sich am Morgen der „Rosenkranz-Kreuzzug für das Vaterland“ in Bewegung. Rund 300 Teilnehmer aus dem Umfeld des rechtskatholischen, teils antisemitischen „Radio Maryja“ zogen betend dreimal um den Sejm, das polnische Parlamentsgebäude. „Auf, dass Gott endlich auch in diesen Hallen Einzug nimmt“, erklärt ein ehemaliger Solidarnosc-Aktivist dieser Zeitung. Die Regierung sei von Ex-Kommunisten und der Mafia unterwandert, warnt der Mann. „Beten wir dafür, dass Ehescheidungen verboten werden“, ruft einer durchs Mikrophon. Der Zug mit dem Heiligenbild der Muttergottes setzt sich wieder in Bewegung. 300 Kehlen murmeln das Vaterunser. Aggression ging von diesen Demonstranten keine aus.

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