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Gut gefüllt sind die Reihen während des Nato-Gipfels in Lissabon - immerhin geht es um eine ganz neue Ausrichtung der Allianz.

© dpa

Update

Abzug geplant: Nato will Truppen bis Ende 2014 aus Afghanistan abziehen

Die Welt hat sich im vergangenen Jahrzehnt verändert. Die Nato will darauf reagieren: mit mehr Sicherheit gegen Terrorismus und Cyberattacken. Jetzt hat sie den Abzug aus Afghanistan eingeläutet.

Von Michael Schmidt

Die Nato hat die Weichen für einen schrittweisen Abzug aus Afghanistan gestellt. Bis Ende 2014 soll die Verantwortung für die Sicherheit im Land an die afghanische Armee und Polizei übergeben werden. Das geht aus einem Nato-Gipfeldokument hervor, das der Nachrichtenagentur dpa am Samstag in Lissabon vorlag. Der Übergabeprozess soll Anfang 2011 beginnen. Allerdings werden internationale Truppen wohl auch nach 2014 am Hindukusch bleiben.

Die Nato erfindet sich neu. So jedenfalls sähe es der Generalsekretär gerne. Anders Fogh Rasmussen hat sich für den Gipfel in Lissabon dreierlei vorgenommen: eine neue Strategie, den Aufbau eines Raketenschirms und eine Annäherung an Russland. Über das neue Nato-Konzept wurde am Freitag bis zur letzten Minute verhandelt.

Die Strategie

Schon vor dem Treffen der 28 Mitgliedstaaten zeigte man sich in Berlin zufrieden. Das Strategiepapier sei so, „wie sich die Bundesregierung das immer vorgestellt hat: kurz, verständlich, kohärent, präzise“, hieß es aus Regierungskreisen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am Freitagabend von einem „außerordentlichen wichtigen Gipfel in der Geschichte der Nato“. Das Bündnis soll auch in Zeiten knapper Kassen verteidigungsfähig bleiben – nicht nur zu Land, zu Wasser und in der Luft, sondern auch im Cyberspace. Kernaufgabe aber bleibt die kollektive Verteidigung nach Artikel 5: Ein Angriff auf ein Bündnismitglied wird als Angriff auf alle verstanden. Der SPD-Politiker Rainer Arnold sagte, „diese deutliche Betonung der Bündnisfähigkeit“ sei wichtig. An Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) gerichtet fügte er hinzu: „Da muss sich Deutschland fragen lassen, ob bei der Bundeswehrreform hinreichend berücksichtigt wird, dass wir unseren Bündnisverpflichtungen, wenn nötig, auch nachkommen können müssen.“ Für die liberale Verteidigungsexpertin Elke Hoff ist das neue Konzept nur der Anfang. Nichtmilitärische Risiken wie Finanzkrisen, Bedrohungen der Dateninfrastruktur und Terrorismus würden künftig eine zunehmend wichtige Rolle spielen. „Diese Fragen sind mit konventionellen militärischen Methoden nicht zu beantworten. Deshalb muss die Nato sich auch vertieft politischen Strategien zuwenden“, forderte die FDP-Politikerin.

Atomare Abrüstung

Hier gab es im Vorfeld Streit mit Frankreich. Paris lehnt den von Berlin angestrebten Abzug von US-Atomwaffen ab und will sich vor allem in die eigene Atompolitik nicht hineinreden lassen. Die Deutschen hätten das Thema gerne mit dem geplanten Raketenschirm verbunden, nach dem Motto: Wenn der beschlossen werde, könne man auf Atomwaffen verzichten. Paris aber wollte ihn nur als Ergänzung, nicht als Ersatz für Atomwaffen. Am Freitag erklärte Frankreich sich bereit, auf eine entsprechende Formulierung zu verzichten, Deutschland stimmte dafür einem Passus zu, der nukleare Abrüstung der strategischen „gleichgewichtig“ nennt. Aus deutscher Sicht gilt als Erfolg, dass zwar auf den Besitz von Atomwaffen nicht verzichtet wird. Solange es sie in der Welt gebe, müsse die Nato an der Abschreckung festhalten, „da dürfen wir nicht naiv sein“, sagte Merkel. Das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt aber wird als langfristige Perspektive übernommen. Damit das keine reine Absichtsbekundung bleibt, wird die Nato einen Abrüstungsausschuss einrichten. Außenminister Guido Westerwelle zeigte sich zufrieden: „Soviel Abrüstung war noch nie in der Nato.“

Raketenschirm und Russland

Der Raketenschirm soll kommen, aus dem US- ein Nato-Projekt werden. Russland ist eingeladen mitzuwirken – ausdrücklich auch von jenen osteuropäischen Nato-Mitgliedern, die jeder Annäherung an Moskau bisher ausgesprochen skeptisch gegenüber standen. Als ersten Schritt der Annäherung nach der Eiszeit im Anschluss an den Georgienkrieg soll es eine Analyse gemeinsamer Bedrohungen geben. Aus Regierungskreisen hieß es, man schlage ein neues Kapitel in den Beziehungen auf. „Das ist wirklich das Ende des Kalten Krieges“, sagte Merkel. (mit dpa)

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