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Die Rosenburg am Venusberg in Bonn. Das Anwesen war von 1950 bis 1973 Hauptsitz des Bundesministeriums der Justiz.

© dpa

Nazi-Geschichte: Justizministerium stellt seine braune Vergangenheit vor

Mehr als die Hälfte früherer Spitzen-Mitarbeiter war NS-belastet. Minister Maas erkennt "fatale Folgen" für die Gesetze der jungen Bundesrepublik.

Das Unrecht kann dem Recht sehr nahe kommen. So muss man sich etwa das Bundesjustizministerium in der Ära von Schlussstrich und Wirtschaftswunder vorstellen: Ex-Nazis saßen Schreibtisch an Schreibtisch mit Verfolgten und Opfern des Hitler-Regimes, um über der Gesetzgebung für den neuen Rechtsstaat zu brüten. Am Montag hat der derzeitige Mann an der Spitze, Heiko Maas (SPD), die Ergebnisse einer mehrjährigen Recherche zur NS-Kontinuität in seinem Haus in den Anfangsjahren der Republik vorgestellt. Die Befunde haben sogar die Experten überrascht, die die Fakten zusammengetragen haben. Mehr als die Hälfte der Führungskräfte war in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik NS-belastet. Teilweise waren es bis zu drei Viertel der Amtsträger in den Top-Jobs. Fünf Prozent waren zuvor SA-Mitglieder.

Die „Akte Rosenburg“, wie die Untersuchung nach dem ersten Dienstsitz des Ministeriums heißt, zeige Versäumnisse und sei „bedrückend“, sagte Maas. Die personelle Kontinuität habe fatale Folgen gehabt. Maas verwies dazu nicht nur auf die nazistische Einfärbung im Sprachgebrauch von Gesetzen, die bis heute gelten, zum Beispiel beim Mordparagrafen. Er machte auch auf Dokumente aufmerksam, die zeigten, mit welchen Argumenten etwa die von ihm derzeit geplante Entschädigung der wegen ihrer Homosexualität verurteilten Männern abgelehnt wurde. So hätten die Beamten seinerzeit damit argumentiert, man habe beim „RöhmPutsch“ des früheren SA-Chefs Ernst Röhm sehen können, was Cliquenbildung bei schwulen Männern bedeute. Auch berichtete Maas von der Ausarbeitung eines geheimen Kriegsrechts mit 45 Notverordnungen, die vollständig am Grundgesetz vorbeigelaufen sei.

Ausführlich ging es bei der Vorstellung des 2012 noch von Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) angestoßenen Projekts um das Wirken eines der umstrittensten Mitarbeiter, Eduard Dreher. Der frühere NS-Staatsanwalt war für Todesurteile verantwortlich, machte im Ministerium Karriere und betreute lange einen beachteten Strafrechtskommentar. Mindestens ein Justizmord sei ihm nachzuweisen, betonten die Autoren der „Akte Rosenburg“, die Historiker Manfred Görtemaker und der Jurist Christoph Safferling. Trotzdem gelang es Dreher, eine versteckte Rechtsänderung durch den Bundestag zu bringen, mit der die Beihilfe zu Nazi-Verbrechen einer verkürzten Verjährung unterlag. „Er wusste sehr genau, was er tat“, sagte Görtemaker, und habe wohl auch ein „persönliches Motiv“ gehabt, die Angst vor Strafverfolgung gegen sich selbst. Rückgängig machen ließ sich die Änderung nicht mehr, aus Verfassungsgründen.

Wie das möglich war? Görtemaker sprach vom „Geist der Rosenburg“, wonach juristische Exzellenz wichtiger gewesen sei als eine braune Vergangenheit. Der Staat sollte funktionieren. Maas will sich für eine bessere Juristenausbildung einsetzen. Die Erkenntnisse aus der „Akte Rosenburg“, sagte er, müssten bekannter werden

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