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Die Deutschen kriegen immer weniger Kinder - Schuld hat vor allem das Bild der arbeitenden Rabenmutter.

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Update

Neue Studie zur Geburtenrate: Hobbys sind wichtiger als Kinder

Viele Deutsche wollen gar keinen Nachwuchs. Warum das so ist, legt eine neue Studie nahe. Die Gründe dafür liegen nicht nur beim Geld.

Von Hans Monath

Die niedrige Geburtenrate in Deutschland ist lange mit unzureichender Hilfe von Staat und Arbeitgebern für potenzielle Eltern erklärt worden. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, wenn man einer neuen Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) glaubt, die am Montag veröffentlicht wurde. Danach wollen viele Deutsche gar keine Kinder mehr, weil sie Söhne und Töchter nicht mehr als Wert an sich ansehen.

In ihrer 55-seitigen Untersuchung haben die Demografen auch soziale und kulturelle Faktoren in den Blick genommen und europaweite Umfragen ausgewertet.

In Europa (einschließlich der Nicht-EU- Länder) gibt es neben Deutschland nur sechs weitere Länder, in denen die Mehrheit der Befragten gar keine oder durchschnittlich weniger als zwei Kinder bekommen möchte. In Deutschland würden Kinder „nicht mehr selbstverständlich als Quelle von Zufriedenheit und Lebensfreude wahrgenommen“. Nur 45 Prozent der kinderlosen Deutschen zwischen 18 und 50 Jahren glauben, dass sie ein schöneres Leben führen würden, wenn sie ein Kind bekämen. Einen höheren Stellenwert nehmen Karriere, die Pflege von Freundschaften oder Hobbys ein.

Als Gründe für die sinkende Geburtenrate identifiziert die Studie die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die fehlende gesellschaftliche Anerkennung für berufstätige Mütter. Vor allem im Westen glaubten viele, dass kleine Kinder unter der Berufstätigkeit ihrer Mütter litten. Wer sich dem nicht beuge, gelte schnell als „Rabenmutter“. Völlig anders beurteilen das die Ostdeutschen.

Das hohe Geburtenniveau in nordeuropäischen Ländern führen die Forscher darauf zurück, dass dort seit Jahrzehnten eine Familienpolitik betrieben werde, die auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Gleichstellung der Geschlechter zielt. Im internationalen Vergleich weist Deutschland ein langfristig sehr niedriges Niveau der Geburtenziffer und einen sehr hohen Anteil dauerhaft kinderloser Frauen auf. Von den Frauen der Jahrgänge 1964 bis 1968 mit Hochschulabschluss hat ein Drittel keine Kinder.

Von der Politik erwarten Eltern vor allem Hilfe bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Studie bescheinigt der Familienpolitik in Deutschland, sie habe mit dem Elterngeld und dem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen „einen Pfadwechsel“ erreicht. Auf die umstrittenste familienpolitische Entscheidung des Jahres 2012, nämlich die Einführung des Betreuungsgeldes, gehen die dem Bundesinnenministerium unterstellten Sozialforscher nur indirekt ein. Die Betreuungsgeld-Kritiker hatten argumentiert, es konterkariere die bisherigen Ziele der Familienpolitik. „Positive Effekte“ durch politische Rahmenbedingungen, so heißt es im letzten Satz der Studie, seien nur unter der Voraussetzung möglich, dass „eine ganzheitliche, widerspruchsfreie und strategisch ausgerichtete“ Familienpolitik betrieben werde.  
Weitere Informationen unter: www.bib-demografie.de

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