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Die Trauer um Oury Jalloh hält an.

© dapd

Mögliche Mitschuld der Polizei: Neuer Prozess um Tod von Oury Jalloh

Das Landgericht Magdeburg muss über mögliche Mitschuld der Polizei am Tod von Oury Jalloh befinden. Es ist ein Prozess, der aufwühlt.

Von Frank Jansen

Das zeigt sich am Mittwochmorgen schon in der Umgebung des Landgerichts Magdeburg. Werbetafeln sind mit Spruchbändern gespickt, sie verkünden, „Oury Jalloh – Das war Mord“. Am breiten Bürgersteig vor dem Eingang zum Justizgebäude errichten antirassistische Initiativen ein Zelt, daneben werden auf dem Pflaster Transparente bemalt. „Stop Racist Police Brutality“ steht da, eine junge Frau strichelt mit Kreide Parolen auch auf das Pflaster.

Die vielen Polizeibeamten vor dem Portal des Gerichts bleiben ruhig, Konflikte gibt es nicht. Das war nach den Tumulten beim ersten Prozess gegen zwei Polizisten zum mysteriösen Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau kaum zu erwarten. Doch die zweite Hauptverhandlung, nur noch gegen einen Beamten, beginnt auch im Gerichtssaal ohne Störungen, obwohl die Afrikaner und die deutschen Antirassisten im Publikum viel Empörung mitgebracht haben.

Warum Oury Jalloh sterben musste, ist bis heute nicht geklärt. Der Mann aus Sierra Leone verbrannte am 7. Januar 2005 in einer Gewahrsamszelle der Dessauer Polizei. Jalloh war an Händen und Füßen gefesselt und lag auf einer schwer entflammbaren Matratze. Die Staatsanwaltschaft Dessau klagte den damaligen Dienstgruppenleiter Andreas S. und seinen Kollegen Hans-Ulrich M. an. Der Vorwurf gegen S. lautet Körperverletzung mit Todesfolge im Amt, bei M. fahrlässige Tötung. Im Dezember 2008 sprach das Landgericht Dessau angesichts kaum brauchbarer Zeugenaussagen von Kollegen der Angeklagten die beiden frei. Der Prozess dauerte 20 Monate und verlief teilweise derart chaotisch, dass sich der Vorsitzende Richter am Ende der Urteilsbegründung zu dem Satz hinreißen ließ, „ich habe keinen Bock mehr, zu diesem Scheiß was zu sagen“.

Die Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Angehörigen Jallohs legten Revision gegen den Freispruch für Andreas S. ein, bei M. erschien es aussichtslos. Vor einem Jahr hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil gegen S. auf und verwies den Fall an das Landgericht Magdeburg. Die Richter in Karlsruhe rügten, es sei im Urteil nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand der Matratze entwickelt hat. Außerdem hätte Andreas S. möglicherweise Jallohs Tod verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm des Rauchmelders in der Zelle die nötigen Maßnahmen zur Rettung des Afrikaners eingeleitet hätte.

Andreas S. habe zwei Signale des Rauchmelders per Knopfdruck abgestellt, „ohne sofort mündlichen Alarm zu geben und sich unverzüglich unter Mitnahme der bereitliegenden Schlüssel für den Zellenbereich und zum Lösen der Fesselungswerkzeuge zum Gewahrsamstrakt zu begeben“, trägt der Dessauer Oberstaatsanwalt Christian Preissner am Mittwoch aus der Anklage vor. Der Polizist hätte Jalloh das Leben retten können. Andreas S., ein 50-jähriger Polizeihauptkommissar mit zerfurchtem Gesicht, regt sich nicht. Er werde sich zur Sache nicht einlassen, sagt sein Verteidiger der Strafkammer. Das Publikum nimmt es hin. Für den morgigen Freitag ist der ehemalige Mitangeklagte Hans-Ulrich M. als Zeuge geladen.

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