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Griechenland kommt kaum gegen seinen Schuldenberg an. Deshalb soll es ein drittes Hilfspaket der EU geben.

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Neues Hilfspaket: Woher das Geld für Griechenland kommen soll

Einige Monate war Ruhe, doch nun ist klar: Athen braucht ein neues Hilfspaket. Damit wird die Debatte über die Rettungspolitik neu angeheizt. Wie sind die Nachrichten einzuordnen?

Nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) offen eingestanden hat, dass Griechenland mit den bisher vereinbarten Rettungspaketen nicht auskommen wird, ist die Debatte über das Für und Wider der Hilfszahlungen neu entbrannt. Die bisherige Rettungspolitik der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat schließlich nichts daran geändert, dass Griechenland vor einem gewaltigen Schuldenberg steht.

Um welche Summen geht es bei den neuen Hilfszahlungen?

Finanzminister Schäuble ist mit der Ankündigung vorgeprescht, dass Griechenland noch einmal ein europäisches Hilfsprogramm benötigen wird. Bislang haben die Euro-Länder und der IWF zwei Pakete in dreistelliger Milliardenhöhe geschnürt: Ein erstes Programm vom Mai 2010 sieht Kredite in Höhe von rund 110 Milliarden Euro vor, im Februar 2012 beschlossen die Euro-Finanzminister ein zweites Rettungspaket über rund 130 Milliarden Euro. Der Großteil der Summe von 240 Milliarden Euro wurde bereits ausgezahlt. Der Betrag, über den jetzt im Rahmen eines dritten Hilfsprogramms diskutiert wird, ist vergleichsweise klein: Nach den Berechnungen des IWF wird im griechischen Etat in den Jahren 2014 und 2015 eine Finanzlücke von rund elf Milliarden Euro klaffen. Dass der griechische Finanzminister Giannis Stournaras sich das benötigte Geld zu vertretbaren Zinsen am Bondmarkt wird besorgen können, ist nicht sehr wahrscheinlich – damit ist ein drittes Hilfsprogramm unvermeidlich.

Wie könnte das Geld zusammenkommen?

Denkbar sind mehrere Möglichkeiten. Um die Finanzlücke zu schließen, könnte ein drittes Kreditpaket geschnürt werden. Wahrscheinlicher erscheinen derzeit aber andere Varianten: So sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn der finnischen Tageszeitung „Helsingin Sanomat“, dass die Laufzeit der bestehenden Kredite möglicherweise verlängert werden könnte. Möglich ist auch, dass die Griechen künftig weniger Mittel als vorgesehen aus eigener Tasche aufbringen müssen, um in den Genuss der EU-Strukturfonds zu kommen. Diese Variante findet sich in einer Erklärung der Euro-Gruppe vom vergangenen November. Dort ist auch die Rede davon, dass gegebenenfalls noch einmal die Zinsen für die Hilfskredite gesenkt werden könnten.

Kommt die Diskussion über ein neues Hilfsprogramm überraschend?

Nein. Schäuble selbst hatte schon im Frühjahr 2012, bei der Verabschiedung des zweiten Hilfspakets, angedeutet, man werde sich möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft erneut mit Griechenland-Hilfen beschäftigen müssen. Längst ist unübersehbar, dass die Rechnung der Griechenland-Retter nicht aufgeht. Das gilt sowohl für die Staatsschulden des Landes, die aktuell rund 175 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) entsprechen und damit untragbar sind, wie auch für die öffentlichen Haushalte. Schon im vergangenen November war die Euro-Gruppe zu der ernüchternden Erkenntnis gekommen. dass sich der griechische Schuldenberg wohl doch nicht so schnell werde abtragen lassen, wie das einige Optimisten noch ein halbes Jahr zuvor gehofft hatten.

"Der Schuldenschnitt wird kommen"

Griechenland bekommt ein drittes Finanzpaket - manch Demonstrant im Land traut dem Euro-Segen nicht.
Griechenland bekommt ein drittes Finanzpaket - manch Demonstrant im Land traut dem Euro-Segen nicht.

© AFP

Braucht Griechenland einen zweiten Schuldenschnitt?

Die Bundesregierung versichert standhaft, ein zweiter „Haircut“ sei nicht nötig und nicht geplant. Beim ersten Schuldenschnitt vom März 2012 mussten private Gläubiger, vor allem Banken, Versicherungen und Pensionsfonds, aber auch viele Kleinanleger, auf rund 100 Milliarden Euro verzichten. Ein zweiter „Haircut“ würde hingegen auch Steuerzahler treffen. Trotz der Beteuerungen der Bundesregierung sind viele Ökonomen der Ansicht, dass die Hellenen ohne einen Schuldenschnitt langfristig kaum die Chance haben, ihre Verbindlichkeiten zu schultern. Heute ist die Schuldenquote höher als vor dem Schuldenschnitt; damals betrug Hellas’ Gesamtverschuldung noch 170,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Allerdings musste Griechenland nach dem „Haircut“ gleich wieder neue Schulden machen, um die eigenen Banken und Rentenkassen zu retten.

„Der Schuldenschnitt wird kommen“, lautet denn auch das Resümee von Henning Klodt, des Leiters des Zentrums Wirtschaftspolitik am Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Das IfW hat eine Übersicht zum Schuldenstand in den einzelnen EU-Staaten erstellt und kommt dort zu dem Schluss, dass Griechenland „hoffnungslos überschuldet“ zu sein scheint. Selbst ein langfristiges nominales Wachstum in Höhe von vier Prozent verhelfe Griechenland nicht zur Schuldentragfähigkeit. Doch von Wachstum kann in Griechenland nach wie vor keine Rede sein. Nach den Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat brach die Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres noch einmal um 4,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal ein.

Wie ist die Situation in Griechenland?

Die Schuldenspirale und die neuen Finanzlöcher haben eine gemeinsame Ursache: Die EU-Partner und der IWF haben Griechenland ein Sparprogramm verordnet, das die Fundamente der Volkswirtschaft zersetzt, den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft strapaziert und den demokratischen Grundkonsens gefährdet. Im sechsten Jahr der mittlerweile von den Rettern mitverursachten Rezession lebt mehr als ein Drittel der Griechen an der Armutsgrenze. Zwei von drei Jugendlichen sind arbeitslos. Hunderttausende haben keine Krankenversicherung mehr. Und die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte bekommt immer mehr Zulauf.

Auch ökonomisch ist das Land in einem Teufelskreis: Immer neue Sparauflagen würgen die Wirtschaft ab. Das lässt die Schuldenquote weiter steigen. Haushaltskonsolidierung ist unverzichtbar, aber sie allein reicht nicht.

Diese Erkenntnis ist inzwischen auch beim IWF angekommen. Anfang Juni gaben Vertreter des Weltwährungsfonds zu, dass sie die negativen Auswirkungen der im Zuge der Rettungspolitik verordneten Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen für die Wirtschaft völlig unterschätzt hatten. In dem Bericht der IWF-Experten war von Fehlern und „bedeutenden Misserfolgen“ die Rede. In Athen wurde das „Mea culpa“ aus Washington seinerzeit nicht ohne Genugtuung zur Kenntnis genommen. Die Neubewertung des IWF gebe „allen die Chance, ihre Fehler zu erkennen, damit sie nicht wiederholt werden“, sagte Finanzminister Stournaras.

Würden neue Kredite an der Misere etwas ändern?

Wenn Hellas nicht tatsächlich zu dem sprichwörtlichen „Fass ohne Boden“ werden soll, ist es mit immer neuen Hilfskrediten nicht getan. Sie vergrößern nur die ohnehin unerträgliche Schuldenlast.

In dieser Situation ließen sich neue Hilfskredite eher rechtfertigen, wenn parallel ein Kurswechsel in der Rettungspolitik eingeleitet würde. Als Vorbild könnte dabei der Marshallplan der USA nach dem Zweiten Weltkrieg dienen. Dieser Plan bescherte dem vom Krieg gezeichneten Westeuropa ein nie dagewesenes Wirtschaftswachstum. Nach diesem Muster könnte die Europäische Union Griechenland jetzt einen Wachstumsschub geben, etwa durch die vorgezogene Freigabe von Fördermitteln, die dem Land ohnehin zustehen.

Neue Hilfen müssten nach der Ansicht vieler Experten allerdings an die Umsetzung weiterer Reformen geknüpft werden. Dazu gehören vor allem die Öffnung der Märkte, der Bürokratieabbau und die Bekämpfung der chronischen Korruption – alles oft gefordert, aber bisher nur unzureichend umgesetzt.

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