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Vorsorge. Es geht es darum, wie die Bevölkerung bei einem Angriff oder einer Katastrophe geschützt versorgt werden kann.

© picture alliance / dpa

Neues Zivilschutzkonzept: De Maizière befürchtet Angriff auf die Stromversorgung

Das neue Zivilschutzkonzept ist heftig umstritten. Doch der Bundesinnenminister weist alle Kritik zurück. Er betont besonders die Gefahr von Attacken auf die Infrastruktur.

Die Bundeskabinett hat das umstrittene Konzept zur Zivilverteidigung verabschiedet und damit Planungen für den Fall einer Terrorattacke oder eines Cyberangriffs auf den Weg gebracht. Die Regierung reagiert mit der neuen „Konzeption Zivile Verteidigung“ auf die veränderte sicherheitspolitische Lage. Unter anderem geht es darum, den zivilen Katastrophenschutz mit Vorbereitungen für einen Verteidigungsfall zu verzahnen. Unterschiedliche Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen sollen besser koordiniert und Doppelstrukturen vermieden werden.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte das Konzept am Mittwoch in einem Berliner Wasserwerk öffentlich vor. Der Minister sagte, er halte die Stromversorgung für einen besonders gefährdeten Bereich in Deutschland. Für ihn persönlich sei „am wahrscheinlichsten ein regional oder überregional lang anhaltender“ Ausfall der Stromversorgung. „Ich kann mir vorstellen, dass es Gruppen oder Staaten oder eine Mischung von Gruppen und Staaten gibt, die ein Interesse daran hätten, einmal auszuprobieren, wie resilient, wie anpassungsfähig die deutsche Gesellschaft ist mit Blick auf die Abhängigkeit von der Stromversorgung.“

Als in der vergangenen Woche erste Details des neuen Konzepts zur zivilen Verteidigung durchsickerten, war die Aufregung groß. Dass der Bundesinnenminister ausgerechnet in Zeiten von Terrorangst zu Hamsterkäufen rate, sei Panikmache, kritisierte die Opposition. Am Mittwoch legte nun auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nach: „Dieses Timing ist völlig verfehlt.“ Grundsätzlich brauche Deutschland zwar ein aktualisiertes Konzept zur zivilen Verteidigung. Das Vorhaben aber so kurz nach den jüngsten Gewalttaten in Bayern vorzustellen, führe zu wachsender Unsicherheit bei den Menschen. Die Kommunikation sei „total misslungen“.

De Maizière kann die Vorwürfe nicht verstehen

De Maizière (CDU) wies diese Vorwürfe zurück. Mit der aktuellen Terrorlage habe das Konzept „nichts zu tun“. Es sei jetzt entscheidungsreif gewesen und habe deshalb auf der Tagesordnung gestanden, erklärte de Maizière den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Auch seine SPD-Kollegen im Kabinett hätten keine Einwände vorgebracht. Den Auftrag an die Bundesregierung, die Pläne für den Katastrophenfall zu überarbeiten, hatte der Haushaltsausschuss schon 2012 gegeben. Die bisherige Strategie stammt aus dem Jahr 1995 und sei noch von der Entspannung nach dem Ende des Kalten Krieges geprägt gewesen, argumentiert das Innenministerium. Inzwischen gebe es eine veränderte Bedrohungslage in Deutschland, etwa durch den Terrorismus.

In dem 70 Seiten umfassenden Papier, das am Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurde, geht es darum, wie die Bevölkerung bei einem Angriff oder einer Katastrophe geschützt und mit Lebensnotwendigem (Wasser, Nahrung, Strom, Medizin) versorgt werden kann. Ein konventioneller Angriff auf das deutsche Staatsgebiet wird dabei als eher unwahrscheinlich eingeschätzt. Allerdings gebe es die Gefahr von Terroranschlägen oder Cyber-Angriffen, die etwa die Versorgung mit Wasser oder Strom lahmlegen könnten. „Die wachsende Verwundbarkeit der modernen Infrastruktur und die Ressourcenabhängigkeit moderner Gesellschaften bieten vielfältige Angriffspunkte“, heißt es in dem Konzept.

De Maizière sagte, er könne sich vorstellen, dass es Staaten oder Gruppen gebe, die gerne mal testen würden, wie widerstandsfähig Deutschland im Falle eines Stromausfalls reagiere. Das öffentliche Leben hänge mittlerweile in großem Maße von einer funktionierenden Stromversorgung ab. „Da geht es um weit mehr, als kein Licht mehr zu haben“, sagte der CDU-Politiker. In dem Konzept wird daher angekündigt, dass Bund und Länder ein „Gesamtkonzept Notstrom“ ausarbeiten sollen, um bei längeren Ausfällen eine Minimalversorgung der Bevölkerung und eine staatliche Notfallvorsorge absichern zu können.

Der Bund muss außerdem eine Notversorgung mit Trinkwasser bieten – über „autarke Brunnen und Quellen in Verbindung mit einer mobilen Trinkwassernotversorgung“. In Großstädten und Ballungsgebieten sollten „leistungsstarke Brunnen“ gebaut oder hergerichtet werden, heißt es dazu. Eine staatliche Lebensmittelreserve gibt es bereits, die unter anderem Reis, Hülsenfrüchte, Kondensmilch und Getreide umfasst. Darüber hinaus werden auch die Bürger aufgefordert, für einen Notfall einen Vorrat an Wasser und Lebensmitteln zu Hause anzulegen. Empfohlen werden für einen Zeitraum von fünf Tagen zwei Liter Wasser pro Person und pro Tag. Der Lebensmittelvorrat sollte für zehn Tage reichen.

Regierung will, dass die Bürger sich auch selbst schützen

Grundsätzlich geht es der Bundesregierung zufolge darum, dass die Bürger erst einmal zum Selbstschutz fähig sein sollen, bevor staatliche Maßnahmen anlaufen. Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, sagte, wichtig sei die Fähigkeit, Erste Hilfe zu leisten oder mit einen Brand selbst zurechtzukommen. Untersuchungen seines Amtes hätten gezeigt, dass es hier in der Bevölkerung deutliche Defizite gebe.

In dem Konzept ist auch enthalten, wie die Bürger bei besonderen Gefahrenlagen gewarnt werden können. Alarmmeldungen sollen etwa über Radio, Fernsehen, Internet oder Telekommunikationsanbieter an die Menschen weitergegeben werden. Aber auch Sirenen sollen zum Einsatz kommen, um möglichst schnell einen „Weckeffekt“ zu erzielen. Einen flächendeckenden Neubau von Bunkern sieht der Notfallplan nicht vor, dieser sei „nicht realisierbar“ und außerdem auch nur „eingeschränkt geeignet“. Stattdessen sollen vorhandene Bauten zum Schutz der Bürger dienen. In dem Papier geht es außerdem um Vorkehrungen bei chemischen, biologischen oder atomaren Krisenfällen.

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