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Sahra Wagenknecht bei der Wahlparty im Festsaal Kreuzberg. Die Spitzenfunktionäre ließen sich feiern, obwohl es eigentlich nicht viel zu feiern gibt.

© Jan Woitas/dpa

Nicht mehr Oppositionsführer: Der Wähler hat die Linke klein gemacht

Die Linke wird die zweitkleinste Fraktion im neuen Bundestag sein. Gemeinsam will sie die AfD bekämpfen - doch ziehen die anderen Parteien dabei mit?

Von Matthias Meisner

Es wirkt trotzig, denn wirklich toll ist das Ergebnis für die Linke nicht. Immer neue Spitzenleute der Linken kommen auf die Bühne der zentralen Wahlparty im Festsaal Kreuzberg. Wollen sich dafür feiern lassen, dass die Partei das „zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte“ bei einer Bundestagswahl erzielt hat – nach 2009, als sie auf 11,9 Prozent gekommen war. Sie behaupten, dass die Linke nun im Bundestag der „soziale Oppositionsführer“ sein werde, obwohl sie doch nur noch die kleinste Fraktion stellt. Und sie erheben den Anspruch, im neuen Bundestag die „stärkste Kraft“ zu sein, „die sich der AfD entgegenstellt“, wie es Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn formuliert. Die Partei versucht an diesem Abend zu feiern, obwohl es nicht viel zu feiern gibt.

An scharfen Worten gegen die AfD mangelt es in der Linkspartei nicht. Sie stehe „nicht für sozialen Protest, sondern für rechte und rassistische Inhalte“, sagt Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht. Die Parteivorsitzende Katja Kipping sieht „ganz enge Verbindungen zur Neonazi-Szene“, ihr Ko-Chef Bernd Riexinger „klar neofaschistische Inhalte“. Kipping verspricht: „Von uns wird es keine Stimme für Nazis und Rassisten geben und man muss mir erstmal jemanden von der AfD zeigen, auf den das nicht zutrifft.“

Seit 2016 gibt es ein Papier zum Umgang mit der AfD

Wahr ist: Die Linke hat sich früh auf drohende Wahlerfolge der AfD vorbereitet. Im Februar 2016 verabschiedete der Parteivorstand ein Papier „Zum Umgang der Partei Die Linke mit der Rechtspartei AfD“. Es war entwickelt worden von einer Arbeitsgruppe, besetzt mit Vertretern von Bund und Ländern unter Leitung der sächsischen Landtagsabgeordneten und Rechtsextremismus-Expertin Kerstin Köditz. Schon damals hieß es, die AfD habe sich ideologisch und politisch „eindeutig zu einer Partei der extremen Rechten“ entwickelt. Die Linke forderte: „Die AfD darf kein normaler Akteur in Parlament, Medien und Gesellschaft sein.“ Um sie zu bekämpfen, brauche es „breite gesellschaftliche Bündnisse, die eingeübte Bündnisrituale infrage stellen“, also von der radikalen Linken bis hin zu demokratischen Konservativen reichen.

Genutzt hat diese Kampfansage der Linkspartei nicht. Denn trotz eines routinierten – wenn auch eher unspektakulären – Wahlkampfs ist es ihr am Sonntag nicht gelungen, den dritten Platz zu behaupten. Ihn nimmt nun die AfD ein. Damit ist auch die Oppositionsführerrolle hin, die die Linke in der vergangenen Legislaturperiode hatte. Jene herausgehobene Rolle also, die es etwa Sahra Wagenknecht erlaubte, nach Regierungserklärungen von Angela Merkel der Kanzlerin direkt zu antworten. Die Linke muss im neuen Bundestag Federn lassen, obwohl sie doch, neben den Grünen, als einzige der Bundestagsparteien leicht zulegen konnte.

Im Osten die Rolle als Volkspartei verloren

Der Einstieg in den Wahlkampf war nicht ganz leicht und von Gerangel um die Nominierung der Spitzenkandidaten überschattet. Die beiden Fraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch setzten sich gegen die gleichfalls ambitionierte Parteichefin Katja Kipping durch. Alle drei und auch Bernd Riexinger absolvierten dann aber doch insgesamt 209 Wahlkampftermine, aber nur bei den wenigsten Gelegenheiten standen sie zusammen auf der Bühne. Es gab sieben Großveranstaltungen und in den letzten Wahlkampfwochen schickte die Partei einen Truck durchs Land, der auf 43 Plätzen Station machte.

Der neue Trend: Im Westen konnte die Linke zulegen, im Osten hatte sie Mobilisierungsprobleme – auch weil die Mitgliedschaft dort mehr und mehr überaltert ist. Den Demoskopen zufolge fiel sie im Osten auf 16,5 Prozent zurück, 2013 waren es noch 22,7 Prozent. Ihre Rolle als Volkspartei in den neuen Ländern ist dahin, dies trotz oder wegen der Regierungsbeteiligungen in Thüringen, Brandenburg und Berlin.

Die Machtperspektive fehlte

Erschwerend für die Linke kam hinzu, dass ihr die Machtperspektive fehlte. Es gab sie kurz nach der Ernennung von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und vor der Saarland-Wahl im März. Seitdem aber sprach niemand mehr ernsthaft von Rot-Rot-Grün. Mit ihren Themen drang die Linkspartei im Wahlkampf derweil ziemlich schlecht durch. Sie wollte die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen, etwa mit ihren Konzepten zur Rente oder gegen den Pflegenotstand. Doch diskutiert wurde dann viel mehr etwa über die Asylpolitik und damit einen Bereich, in dem die Linkspartei nicht wirklich punkten konnte.

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