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Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un (vorne, blauer Anzug) verhält sich seit einigen Wochen erstaunlich still.

© AFP

Nordkorea: Koreanische Methoden zur Entspannung

Gespräche vertagt, aber keine Drohungen. In der Industriezone Kaesong kann demnächst wieder gearbeitet werden.

Noch im April schaute die Welt angstvoll auf die koreanische Halbinsel. Befüchtet wurde, dass die gegenseitigen Provokationen zu einer militärischen Auseinandersetzung führen könnten. Nun gibt es Hoffnung weckende Signale von beiden Seiten. Zwar haben Nord- und Südkorea die Verhandlungen über die Wiedereröffnung der gemeinsamen Sonderwirtschaftszone in der Grenzstadt Kaesong auf Montag vertagt. In mehreren Verhandlungsrunden ist man zu keinem Ergebnis gekommen. Aber beide Seiten haben bislang auf Drohungen und Gegendrohungen verzichtet – nicht zuletzt Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.

Und es gibt weitere Fortschritte. Im Zusammenhang mit den Kaesong-Verhandlungen wurden zwei andere Themen angesprochen, die seit langem Streitpunkte darstellen. Südkorea bot zum einen an, nach den Kaesong-Verhandlungen Gespräche über mögliche Familientreffen zum koreanischen Erntedankfest Chuseok zu führen. Die Treffen von Familien, die auf beiden Seiten der Grenze leben, haben sich im Laufe der Jahre zu einem Stimmungsbarometer für die innerkoreanischen Beziehungen entwickelt. Das letzte Treffen dieser Art fand im Oktober 2010 statt. Nach Nordkoreas Artillerieangriff auf die südkoreanische Insel Yeongpyeong wurden die Familientreffen eingestellt. Nordkorea wiederum brachte eine mögliche Wiederbelebung des Tourismusprojekts im Kumgang-Gebirge ins Spiel. Die Ferienanlage in einer Gebirgsregion an der innerkoreanischen Grenze wurde 2008 geschlossen, nachdem eine südkoreanische Touristin von nordkoreanischen Soldaten erschossen worden war, als sie unbefugtes Gelände betreten hatte.

Im Zuge der Kaesong-Gespräche erklärte Südkorea, Verhandlungen über das Kumgang-Projekt müssten separat und zu einem späteren Zeitpunkt geführt werden. Nordkorea war mit dieser Entscheidung unzufrieden und verkündete daraufhin, dass damit auch die Verhandlungen über mögliche Familienzusammenführungen vorerst auf Eis lägen. Wie die Verhandlungen über den Kaesong-Industriepark in der kommenden Woche weitergehen, hängt stark von der Kompromissbereitschaft beider Seiten ab. Die bisherigen Verhandlungsrunden scheiterten vor allem daran, dass Südkorea von Nordkorea verlangt, Verantwortung für die Schließung der Industrieanlage zu übernehmen. Nordkorea wiederum vertritt die Position, dass die Schließung des Kaesong-Komplexes nur eine Reaktion auf südkoreanische Provokationen war. Das Regime in Pjöngjang sah sich von den Militärübungen südkoreanischer und US-Truppen im Frühjahr herausgefordert.

Zudem koppelt Südkorea die Wiedereröffnung des Kaesong-Industrieparks an eine Garantie Nordkoreas, dass eine erneute Schließung der Anlage nicht wieder vorkommen werde. Die 123 südkoreanischen Firmen, die Produktionsanlagen in Kaesong unterhalten, sind nach wie vor an der Wiedereröffnung interessiert. Allerdings wiesen Firmenvertreter darauf hin, dass es schwierig werde, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Die Verluste der Firmen in- folge der Schließung Kaesongs belaufen sich mittlerweile auf etwa 1,05 Billionen südkoreanische Won, rund 715 Millionen Euro.

Ein Sprecher des südkoreanischen Vereinigungsministeriums erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Yonhap, der Betrieb der Industrieanlage müsse internationalen Standards entsprechen. Beobachter sehen in dieser Äußerung einen Hinweis auf die Möglichkeit, neben südkoreanischen Firmen ausländische Unternehmen mit ins Boot zu holen – um zu verhindern, dass Nordkorea den Industriepark weiterhin als Druckmittel benutzt.

Unterdessen beschäftigen sich Vertreter der südkoreanischen Firmen mit eher praktischen Problemen. Am Freitag wurde ihnen von Nordkorea erlaubt, fertige Ware und Rohstoffe aus Kaesong abzuholen. Im Moment wird auch überprüft, welche saisonbedingten Reparatur- und Wartungsarbeiten vor der Wiedereröffnung der Anlage durchgeführt werden müssen, denn die koreanische Halbinsel befindet sich mitten in der Regenzeit. Vera Hohleiter

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