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Die Angeklagte Beate Zschäpe und ihre Verteidiger beim NSU-Prozess in München.

© afp

Update

NSU-Prozess in München: Gericht lehnt mehrere Anträge Zschäpes ab

Es wird keine Video- oder Ton-Aufzeichnung von Zeugenaussagen geben, auch keine Steno-Protokolle. Das entschied das OLG München am Donnerstag. Für andere Anträge von Zschäpes Verteidiger hatten Anwälte der Opfer sogar Verständnis geäußert.

Von Frank Jansen

Der Strafsenat hat nach zweistündiger Unterbrechung mehrere Anträge der Verteidiger Zschäpes abgelehnt. So wird es keine Aufzeichnung von Zeugenaussagen per Video oder Tonband geben, auch nicht eine schriftliche Protokollierung durch Stenografen des Bundestages. Als Grund nannte der Vorsitzende Richter Götzl die „Gefahr, dass Aussagen und Erklärungen nicht frei und unbelastet erfolgen“, wenn Zeugen wissen, dass ihre Angaben mitgeschnitten werden. Diesem Antrag der Verteidiger hatten sich am Mittwoch auch einige Nebenklage-Anwälte angeschlossen.

Der Strafsenat wies auch den Antrag der Verteidiger Zschäpes und von Ralf Wohlleben ab, ihnen bei der Befragung von Zeugen grundsätzlich das Wort vor den vielen Nebenklagen-Anwälten zu erteilen. Die Verteidiger befürchten, dass ihre Fragen als Prozessverschleppung beanstandet werden, wenn Nebenklage-Anwälte ähnliche Fragen schon vorher gestellt haben. Eine Handvoll Anwälte der Angehörigen der Mordopfer des NSU und der überlebenden Opfer hatte „aus Gründen der Fairness“ sogar Verständnis für den Antrag der Verteidiger geäußert. Doch es nutzte nichts. Die Vergabe des Rede- und Fragerechts „erfolgt situationsbedingt“, teilte Götzl knapp mit.

In einem Punkt dürfte er allerdings vor allem die Nebenkläger beruhigt haben. Götzl verkündete, der Senat beabsichtige derzeit nicht, den Fall des im Jahr 2004 in Köln verübten Nagelbombenanschlags vom NSU-Prozess abzutrennen. Die von Götzl am Dienstag und Mittwoch geäußerte Idee stieß bei den Nebenklägern und ihren Anwälten auf massiven Widerstand. Sie befürchteten, das Verfahren zum Bombenanschlag werde dann eingestellt, sollte Zschäpe im NSU-Prozess schon zu einer hohen Strafe verurteilt worden sein. Götzl hatte die Abtrennung angeregt, da ein Nebenklage-Anwalt prophezeit hatte, es könnten sich noch nur für den Fall des Bombenanschlags bis zu 70 weitere Nebenkläger melden. Derzeit sind mehr als 80 für den Prozess angemeldet, weitere sechs Anträge liegen vor.

Von den Angeklagten wollen nur Carsten S. und Holger G. sich zu den Tatvorwürfen äußern. Auf die entsprechende Frage von Götzl verneinten die Anwälte von Beate Zschäpe, André E. und Ralf Wohlleben, dass sich ihre Mandanten zur Sache einlassen. Die Anwältin Wohllebens kündigte aber eine „Verteidigererklärung“ an. Der Prozess wird nun wegen der bayerischen Pfingstferien bis Anfang Juni unterbrochen. Dann soll als erster Angeklagter Carsten S. befragt werden. Es liegen allerdings auch noch Anträge der Verteidiger Zschäpes und Wohlleben vor. Da geht es um die Aussetzung des Prozesses und die Einstellung des Verfahrens, außerdem wird punktuell die Besetzung des Strafsenats mit Ergänzungsrichtern gerügt.

Zschäpe-Anwälte und Nebenkläger verlangen leichtere Akteneinsicht

Die Scharmützel hatten sich am Donnerstag zunächst fortgesetzt – und es bildeten sich neue Fronten. Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München haben sich am Donnerstag einige Anwälte der Angehörigen der vom NSU ermordeten Menschen und der überlebenden Opfer für den Antrag der Verteidiger von Beate Zschäpe stark gemacht, die Einsicht in Akten von NSU-Untersuchungsausschüssen zu erleichtern. Es sei absurd, dass die von den Ausschüssen der Landtage Bayerns und Thüringen gelieferten, umfangreichen Unterlagen nur in der Geschäftsstelle des OLG gelesen und höchstens abgeschrieben werden dürften, sagte eine Nebenklage-Anwältin. Bislang haben die Nebenkläger zumeist die Verteidiger Zschäpes wegen ihrer Anträge kritisiert und den Verdacht einer Verzögerungstaktik geäußert.

Die Untersuchungsausschüsse hatten die Dokumente dem Gericht mit der Auflage geschickt, nichts herauszugeben und auch keine Fotokopien zuzulassen. Der Thüringer Landtag schreibt den Anwälten auch vor, Notizen aus den Akten dürften nur im Prozess genutzt und nicht mitgenommen werden.

Die Verteidiger Zschäpes hatten am Mittwoch einen Antrag auf Aussetzung des Prozesses gestellt, weil sie die Anordnungen der Landtage zum Umgang mit den Unterlagen der Untersuchungsausschüsse nicht akzeptieren. Aus Sicht der Anwälte sollte der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats, Manfred Götzl, bei den Landtagen auf eine Lockerung der Restriktionen hinwirken. Die Verteidiger monieren zudem, dass die Bundesanwaltschaft einen Teil der Akten von Staatsanwaltschaften aus mehreren Bundesländern nur am Sitz des Generalbundesanwalts in Karlsruhe einsehen lässt. Dabei handelt es sich um Akten zu Ermittlungen wegen der Anschläge und Raubüberfälle des NSU.

Einklang herrscht bei mehreren  Nebenklägern und den Verteidigern Zschäpes auch in der Forderung, die Bundesanwaltschaft solle die Liste mit 129 Namen zum NSU-Komplex zur Verfügung stellen. In dem Papier sind alle Beschuldigten im NSU-Verfahren genannt sowie weitere Personen, die dem Umfeld der Terrorzelle zugerechnet werden oder zumindest Kontakt dazu hatten. Die Liste hat das Bundeskriminalamt erstellt.

Er verstehe die Weigerung der Bundesanwaltschaft nicht, die Liste herauszugeben, sagte der Berliner Anwalt Sebastian Scharmer. Er vertritt Gamze Kubasik, deren Vater vom NSU in Dortmnd erschossen wurde. Die 129er Liste und die damit verbundenen Ermittlungen „werden in diesem Verfahren relevant sein“, sagte Scharmer, schließlich gehe es um die Struktur des Umfelds des NSU.

Zuvor hatte Bundesanwalt Herbert Diemer in seiner Stellungnahme zum Aussetzungsantrag der Verteidiger alle Vorwürfe zurückgewiesen. Der Bundesanwaltschaft Willkür zu unterstellen, sei „geradezu hanebüchen“, sagte Diemer. Er verwahrte sich auch gegen die Forderung von Zschäpes Anwälten, der Vorsitzende Richter solle bei Generalbundesanwalt Harald Range verlangen, ihn und Oberstaatsanwältin Anette Greger aus dem Prozess herauszuziehen.

Nach einer Unterbrechung der Verhandlung sagte dann Diemer zu, die 129er Liste werde dem Gericht zugeleitet. Der Vorsitzende Richter Götzl unterstützte außerdem die Kritik der Anwälte an den Anordnungen der Landtage Bayerns und Thüringens. „Es ist tatsächlich so, dass die Auflagen der Untersuchungsausschüsse Probleme machen“, sagte Götzl. Auch dem Strafsenat sei bei den gelieferten Akten „teilweise ein Kopierverbot auferlegt“. Die Bemerkung ist auch atmosphärisch interessant – in den Prozesstagen zuvor hatten sich Götzl und die Verteidiger Zschäpes heftige Wortgefechte geliefert.

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