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Beate Zschäpe beim NSU-Prozess in München

© dpa

NSU-Prozess: Streit zwischen Verteidigern und Anwälten der Nebenklage eskaliert

Rumort hatte es schon lange, nun gibt es offenen Streit: 21 Monate nach Beginn des NSU-Prozesses in München ist eine Debatte über die Nebenklage entbrannt.

Von Frank Jansen

Im NSU-Prozess verschärft sich der Konflikt zwischen Verteidigern und Anwälten von Nebenklägern. Die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe beantragten am Donnerstag beim 6. Strafsenat des Oberlandesgericht München, die Zulassung der Nebenklage der aus Köln stammenden Sermin S. aufzuheben, ebenso die Bestellung ihres Anwalts Alexander Hoffmann. Sermin S. hatte hochschwanger in ihrer Wohnung in der Kölner Keupstraße den Nagelbombenanschlag des NSU vom 9. Juni 2004 erlebt, aber keine körperlichen Verletzungen erlitten, da sie sich in einem hinteren Raum befand. Auch das Baby kam gesund auf die Welt. Im Prozess verwies Sermin S. vor zwei Wochen allerdings auf starke psychische Beschwerden bis hin zu Panikattacken. Die Frau wird indes schon seit der Kindheit von Ängsten geplagt. Sie haben offenbar nach dem Anschlag noch zugenommen.

Die Beweiserhebungen hätten ergeben, dass Frau S. „nicht Verletzte eines versuchten Mordes und einer gefährlichen Körperverletzung“ sei „und folglich kein Recht zur Nebenklage besteht“, trug Verteidiger Wolfgang Heer vor. Deshalb lägen auch die Voraussetzungen „für eine fortgesetzte Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht vor“. Anwalt Hoffmann widersprach vehement.

Der Antrag sei darauf gerichtet, „einen unbequemen Vertreter der Nebenklage rauszuschießen und die ganzen Opfer der Keupstraße herunterzumachen“, sagte Hoffmann. Mehrere Nebenklage-Anwälte unterstützten ihn, auf der Gegenseite schlossen sich die Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben dem Antrag von Heer und seinen Kollegen Anja Sturm und Wolfgang Stahl an. Die schon lange rumorenden Animositäten zwischen den Verteidigern und einem Teil der Nebenklage-Anwälte sind nun eskaliert.

Ungewöhnlich hohe Zahl von Nebenklage-Vertretern

Das hatte sich bereits vergangene Woche abgezeichnet. Hoffmann, ein enorm streitbarer Jurist, hatte Zschäpes Verteidigern vorgeworfen, sie hätten in ihrer „ausufernden Befragung“ Sermin S. der Lüge bezichtigt. Heer konterte nun, „wir weisen diese impertinenten und geschmacklosen Unterstellungen, die mit dem einem Rechtsanwalt obliegenden Sachlichkeitsgebot nicht in Einklang zu bringen sind, mit aller Deutlichkeit zurück“. Um das „berechtigte Institut der Nebenklage nicht zu beschädigen und den Anliegen der tatsächlich Verletzten Rechnung zu tragen“ seien Verfahrensbeteiligte auszuschließen, bei denen eine Nebenklagebefugnis nicht ersichtlich sei.

Heer erwähnte zudem nach Verlesung des Antrags, die Nebenklage von Ercan K., der den Anschlag in der Keupstraße auch unverletzt überstanden hatte, sei inzwischen zurückgenommen worden. Vertreten wurde Ercan K. von Anwalt Ferhat Tikbas, am Donnerstag ließ sich von ihm keine Stellungnahme bekommen. Tikbas war vergangene Woche in die Kritik geraten. Ein Zeuge aus der Keupstraße sagte im Prozess, der Anwalt habe ihn zur Nebenklage gedrängt, doch er habe abgelehnt. Dennoch beantragte Tikbas die Nebenklage für den Kölner, die das Oberlandesgericht auch zuließ. Als der Mann aus der Keupstraße dann Post vom Gericht erhielt und Tikbas zur Rede stellte, meldete der Anwalt die Nebenklage wieder ab.

Mit den Turbulenzen ist nun im Mammutprozess nach 21 Monaten doch noch eine Debatte über die Nebenklage aufgebrochen. An der Hauptverhandlung nehmen regelmäßig um die 50 Anwälte von überlebenden Opfern des NSU-Terrors und von Angehörigen der ermordeten zehn Menschen teil. Eine so hohe Zahl von Nebenklage-Vertretern ist ungewöhnlich. Vor dem Start des Prozesses wurde in Medien und Justizkreisen befürchtet, das Verfahren sei nicht mehr beherrschbar und die Institution der Nebenklage gerate an Grenzen.

Doch der energische  Vorsitzende des 6. Strafsenats, Manfred Götzl, ließ die Zweifler bald verstummen. Auch mit rüden Methoden. Götzl hat mehrfach Anwälte abgekanzelt, die seiner Meinung nach den Fortgang des Prozesses mit ausschweifenden Fragen verlangsamen. Der Richter verhielt sich nicht immer fair, doch paradoxerweise bewahrte er mit seiner Strenge die Nebenklage vor einer öffentlichen Diskussion über die Notwendigkeit ihrer Rechte. Ob sich das jetzt ändert, hängt auch davon ab, wie der Strafsenat auf den Antrag der Verteidiger Zschäpes reagiert, die Nebenklägerin Sermin S. und ihren Anwalt Hoffmann aus dem Verfahren zu entfernen.

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