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Im Einsatz: Das G 36 von Heckler & Koch ist das Standardgewehr der Bundeswehr – und wird unter anderem auch in Afghanistan eingesetzt.

© picture alliance / dpa

Politik: Ohne Gewähr

Bei der Anschaffung einer Waffe sollen Mängel ignoriert worden sein / Ermittlungen gegen einen Soldaten.

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Berlin - Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt im Zusammenhang mit der Beschaffung von mangelhaften Gewehren gegen einen Bundeswehrsoldaten. „Das Verfahren betrifft den Vorwurf der Untreue, nicht aber den der Korruption“, teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Harald Kruse am Montag auf Anfrage mit. Die „Bild am Sonntag“ hatte über entsprechende Ermittlungen der Koblenzer Staatsanwaltschaft berichtet, als Grund für die Untersuchungen allerdings den Verdacht auf Korruption genannt.

Bei der Untreue wird allgemein die Verletzung einer Betreuungspflicht für fremdes Vermögen bestraft – bei Korruptionsdelikten wie Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit geht es dagegen konkret um die Integrität vom Amtsträgern; sie sollen sich für ihre Dienste nicht bezahlen lassen. Sollte es nun im Zuge des Verfahrens zu einer Anklage kommen, drohen dem Beschuldigten eine Geldbuße oder bis zu fünf Jahre Haft.

Gegen wen sich die Ermittlungen konkret richten und ob sich das Verfahren auf weitere Personen bezieht, wollte Kruse mit dem Verweis auf laufende Ermittlungen nicht preisgeben. Laut dem Zeitungsbericht betrafen die Ermittlungen unter anderem einen General im Bundesverteidigungsministerium, einen Mitarbeiter des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) sowie Verantwortliche eines deutschen Rüstungsunternehmens. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) teilte lediglich mit, das Verfahren habe seinen Ursprung in einer anonymen Anzeige. Nach Angaben eines Ministeriumssprechers wird aber auch – wie immer bei Vorliegen eines Anfangsverdachts – disziplinarrechtlich ermittelt.

Laut Verteidigungskreisen geht es in der Angelegenheit um Unregelmäßigkeiten bei der Beschaffung des Sturmgewehrs G 36. Das vollautomatische Gewehr der in Oberndorf am Necker (Baden-Württemberg) ansässigen Firma Heckler & Koch kommt unter anderem in Afghanistan zum Einsatz – wofür es in Extremsituationen aber offenbar nur bedingt taugt. Nach Informationen des Tagesspiegels beklagten sich Soldaten im vergangenen Jahr mehrfach beim Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) darüber, dass ihre Sturmgewehre bei Dauerfeuer heiß liefen, ihr Ziel verfehlten oder nicht genügend Schlagkraft hätten. Der Wehrbeauftragte ging den Vorwürfen nach und stellte fest, dass die wehrtechnische Dienststelle in Meppen bei mehreren Beschussversuchen zum gleichen Ergebnis wie die Soldaten gekommen war.

Statt die Gewehre aber aus dem Verkehr zu ziehen, gab das Einsatzführungskommando der Bundeswehr Ende März 2012 einen Erlass für den weiteren Gebrauch der G 36 heraus, der bis heute für die Truppe gilt. Darin heißt es: „Nach dem Verschießen von Patronen im schnellen Einzelfeuer oder in kurzen Feuerstößen muss bei starker Rohrerhitzung das Rohr (bei offenem Verschluss) auf Handwärme abkühlen, bevor weitergeschossen werden darf.“ Zudem müsse aufgrund des Wärmestaus in der Waffe nach schnellem Verschuss einer großen Menge von Munition von einer erheblich größeren Streuung ausgegangen werden. Dadurch werde die zuverlässige Bekämpfung von Zielen bei Kampfentfernungen über 100 Metern „mit zunehmender Entfernung deutlich erschwert“. Auch könnten Waffen komplett ausfallen, wenn das Abkühlen des Gewehrs nicht möglich sei und weitergeschossen werden müsse.

Für den verteidigungspolitischen Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, ist dieser Zustand ein Skandal. „Das G 36 ist die Standardwaffe der Bundeswehr“, sagt er. „Wenn das bei Dauerfeuer heiß läuft und nicht mehr zu gebrauchen ist, dann ist das für den Soldaten, der in Afghanistan in einen Hinterhalt gerät, wortwörtlich tödlich.“ Nouripour forderte de Maizière auf, den Vorgang aufzuklären: „Es gibt kein Ministerium, das sich so wenig Chaos leisten kann wie das Verteidigungsministerium, weil das Funktionieren für Soldaten in Extremsituationen überlebenswichtig ist.“

Bei Heckler & Koch hat man nach eigenen Angaben „keine Erkenntnisse über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz wegen angeblicher Untreuevorwürfe gegen Mitarbeiter des BAAINBw oder des Verteidigungsministeriums im Zusammenhang mit einer Auftragsvergabe an das Unternehmen“.

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