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Andreas Bausewein für die SPD, Susanne Hennig-Wellsow für die Linken und Dieter Lauinger für die Grünen (von links nach rechts) nach dem ersten Sondierungsgespräch für Rot-Rot-Grün in Erfurt am vergangenen Donnerstag.

© dpa

Option Rot-Rot-Grün in Thüringen: Stasi in die Koalition?

Bei den Debatten um Rot-Rot-Grün in Thüringen geht es auch um die Vergangenheit: Zwei stasibelastete Abgeordnete der Linken sitzen im Parlament.

Frank Kuschel und Ina Leukefeld gehören auch dem kommenden Thüringer Landtag an. Beide sitzen für die Linkspartei seit 2004 im Parlament. In der DDR waren sie Inoffizielle Mitarbeiter für die Staatssicherheit (Kuschel) beziehungsweise für die politische Kriminalpolizei (Leukefeld).

Brisanz gewinnt die Geheimdienst-Belastung, weil eine rot-rot-grüne Koalition, über die in Thüringen derzeit verhandelt wird, nur die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme hätte. Jedem der 46 beteiligten Abgeordneten kommt damit großes Gewicht zu. Kuschel und Leukefeld, so sagte Thüringens Wirtschaftsminister Uwe Höhn (SPD) dem Tagesspiegel, werde „ein ziemlich langer Hebel in die Hand gegeben“. Grünen-Landeschef Dieter Lauinger sagt, jedem Abgeordneten eines rot-rot-grünen Bündnisses komme eine „besondere Verantwortung“ zu. Die Stasi-Nähe der beiden Parlamentarier sei jedoch „seit langem bekannt“. Wichtig ist für Lauinger, dass Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow das Versprechen einhält, Kuschel und Leukefeld kein Regierungsamt zu geben. „Das ist ein No-Go für uns“, so Lauinger. Ein Innenminister Kuschel komme für die Grünen nicht infrage.

Werner Schulz, Mitbegründer von Bündnis 90 und langjähriger Bundes- und Europaabgeordneter, warnte die Grünen generell davor, „ihr Erbe als Bürgerrechtspartei mit der Wahl eines linken Ministerpräsidenten zu beschädigen und zu verscherbeln“. Im Zusammenhang mit Kuschel und Leukefeld sagte er dem Tagesspiegel: „Da hätten zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung zwei Ex- Stasi-Mitarbeiter das letzte Wort in einer Koalition. Der Ruf der friedlichen Revolution war aber nicht ,Stasi an die Macht‘, sondern ,Stasi in die Produktion‘.“

Kuschel ist im Landtag ein eifriger Debattierer

Für den 53-jährigen ehemaligen NVA- Offizier Frank Kuschel wäre das Amt des Innenministers durchaus vorstellbar. Vor dem Umbruch in der DDR war er nach seinem Ausscheiden aus der Armee schon Bürgermeister, 2002 machte er einen Abschluss als Diplomverwaltungsbetriebswirt. Im Landtag gilt er als einer der eifrigsten Politiker. Zu allen kommunalpolitischen Belangen redet er oder triezt die Landesregierung mit Anfragen. Mit Blick auf die Sondierungsgespräche sagte er dem Tagesspiegel: „An der Frage der Aufarbeitung des DDR-Unrechts wird Rot-Rot-Grün nicht scheitern. Ich werde das auch als Person mittragen.“

Offiziell gilt Kuschel als „parlamentsunwürdig“. So hat ihn ein Landtagsgremium eingestuft, das sich mit seiner Stasi-Vergangenheit beschäftigte. Unter dem Decknamen „Fritz Kaiser“ ließ er sich im März 1988 als IM anwerben. Die Stasi bescheinigte ihm ein „klares Feindbild“. Durch seine Berichte habe man „wesentliche Erkenntnisse“ gewonnen. Schon vor der Werbung hatte der Führungsoffizier festgehalten, dass der IM-Kandidat bereit sei, „Personen vorbehaltlos zu belasten“.

Beide haben ihre Stasi-Tätigkeit frühzeitig offengelegt

Sowohl er als auch Ina Leukefeld, die im Parlament als Fachfrau in der Arbeitsmarktpolitik gilt, haben ihre Stasi-Belastung frühzeitig offengelegt. Bei der 59-Jährigen ist der Fall noch komplizierter. Auch sie wurde als „parlamentsunwürdig“ eingestuft. Leukefeld hatte sich Mitte der 1980er Jahre unter dem Decknamen „Sonja“ als Inoffizielle Kriminalpolizeiliche Mitarbeiterin (IKM) verpflichtet. Wie Kuschel lieferte sie Informationen auch über ausreisewillige Personen, die mit Repressalien rechnen mussten.

Leukefeld und die Linksfraktion klagten gegen die „Parlamentsunwürdigkeit“. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof bejahte 2009 grundsätzlich die Überprüfung von Abgeordneten. Das Vertrauen des Volkes sei gefährdet, wenn im Parlament Abgeordnete tätig seien, die den DDR-Machtapparat in rechtsstaatswidriger Weise unterstützt hätten. Die Prüfung müsse umfassend sein und das Verhalten nach 1989 berücksichtigen. Während das Gericht die – rechtlich folgenlose – Einstufung für Kuschel bestätigte, wurde sie für Leukefeld aufgehoben. Begründung: Sie habe für das Kommissariat I der Kriminalpolizei gearbeitet, die zwar als stasinah gilt, aber im Thüringer Gesetz nicht erwähnt wird.

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