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Die Polizei patrouilliert, Badegäste spazieren vorbei. Ein Bild aus Cambrils am Freitag.

© AFP/Jose Jordan

Paris - Berlin - Barcelona: Die Gewöhnung an den Terror ist unverzichtbar

Wo sich viele Menschen treffen, lauert Gefahr. Panik macht sich trotzdem nicht breit. Unsere Freiheit hat sich verändert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christiane Peitz

An diesem Samstag stehen die Berliner wieder Schlange vor den Museen der Stadt, zum 20. Geburtstag der „Langen Nacht der Museen“. Nicht unbedingt, weil der Andrang so groß ist, sondern wegen der Sicherheitsschleusen. Dauert zwar, aber es muss ja sein. Man fühlt sich irgendwie besser nach Taschen-Check oder dem Gang durch Metalldetektoren.

Paris, Nizza, Brüssel, Berlin, London, Stockholm – und jetzt Barcelona. Der Tourismus hat sich verändert, auch unsere Wahrnehmung und unser Verhalten im öffentlichen Raum. Nach jedem Terroranschlag beschwört die Politik, beschwören die demokratischen zivilen Gesellschaften Europas die eigene Lebensart, die offene Gesellschaft, Bewegungs- und Versammlungsfreiheit. Wir lassen sie uns nicht nehmen von Fanatikern, Dschihadisten und Selbstmordattentätern, öffnen der Angst nicht Tür und Tor, so der Tenor. Oder, wie die Kanzlerin nach den Pariser Anschlägen von 2015 betonte: „Wir wissen, unser freies Leben ist stärker als jeder Terror“.

Heute wissen wir, Angela Merkel und alle, die Ähnliches sagen, beharren zwar völlig zu Recht auf den Werten des Westens. Aber wir wissen auch, die Freiheit hat sich verändert, seitdem immer öfter Autos und Lkws zu mörderischen Waffen werden und seitdem die Täter vorzugsweise Touristenziele wie die Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona oder hochfrequentierte Orte wie Stadien, Konzerthallen und Weihnachtsmärkte ins Visier nehmen.

Großstadtbewohner, Fußballfans, Open-Air-Konzertfans, Urlauber – kurz, Millionen Menschen haben ihr Alltagsverhalten verändert. Europas Hauptstädte verzeichnen Besucherrückgänge, das macht sich bis in die Museumszahlen hinein bemerkbar. 2016 zählte der Louvre 13 Prozent weniger Publikum als 2015, ein Schwund von 1,3 Millionen Besuchern. Bei Londons Museen sieht es ähnlich aus, auch Berlin konnte 2016 seine Touristenzahlen zwar erneut steigern, aber weniger hoch wie zuvor. Vor allem die ausländischen Gäste bleiben aus: Für Japaner ist Europa offenbar ein einziger Terrorzone geworden.

Man lässt den Rucksack zu Hause

Aber geht es einem selber nicht ähnlich? Soll ich mit der Familie noch Städteurlaub in einer Metropole machen? Mich mit den Kindern auf dem Potsdamer Platz herumtreiben? Wäre es vielleicht besser, Hotspots wie das Brandenburger Tor, den Trafalgar Square oder das Silvester-Feuerwerk zu meiden?

Europa im dauerhaften Ausnahmezustand: Der Anblick hochbewaffneter Paramilitärs an Frankreichs Bahnhöfen und Shopping-Malls befremdet einen zwar weiterhin, aber man nimmt ihn hin. Ebenso wie all die Sicherheitsvorkehrungen bei Kulturtempeln, Sportarenen und öffentlichen Gebäuden. Man lässt den Rucksack zu Hause, stellt sich wegen der minimal zu großen Handtasche geduldig in der Extraschlange vorm Garderoben-Container an, ob in Waldbühne, auf der Documenta oder in Bayreuth.

Man ist ja nicht naiv: Wo immer sich viele Menschen auf engem Raum treffen, lauert Gefahr. Das ist die eine Wahrheit. Panik macht sich trotzdem nicht breit. Gibt es eine Gewöhnung an die Breaking News eines neuen Anschlags mit Toten, Verletzten, auch mit deutschen Opfern wie in Barcelona? Ehrlicherweise muss man sagen: Ja. Und so zynisch es klingen mag, sie ist unverzichtbar. Der Mensch, dieses anpassungsfähige, pragmatische Wesen, nimmt sich auch die Freiheit, die Terrornachrichten nicht allzu nahe an sich herankommen zu lassen. Das ist mehr als ein Selbstschutzmechanismus.

Auch wenn es paradox erscheint: Wir schränken die Freiheit ein, um sie uns zu bewahren. Bei allem Schrecken, allem Ernst der Lage, allem Leid der Opfer, das Ende der Freiheit ist es nicht. Von Kriegs- und Krisensituationen wie in Israel, Damaskus, etlichen arabischen oder auch afrikanischen Ländern sind wir weit entfernt.

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