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Parteisprecher Bernd Lucke auf dem zweiten Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) in Erfurt.

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Update

Parteitag in Erfurt: AfD-Mitglieder zeigen Parteisprecher Lucke Grenzen auf

Der zweite Bundesparteitag der Alternative für Deutschland wird zur Probe für ihren Sprecher Bernd Lucke. Seine Alleingänge waren im Vorfeld stark kritisiert worden. Mit Anti-Euro-Tönen und Medienschelte kann er die Partei-Mitglieder wieder für sich gewinnen.

Vorne tritt Bernd Lucke ans Rednerpult, er moduliert seine Stimme. Sanft soll sie klingen und das gelingt ihm auch. „Ich höre gleich auf“, ruft er in den Saal. Es klingt so, als wolle er sich entschuldigen. Schon als er von seinem Stuhl aufsteht, gibt es Buhrufe. Unter den mehr als 1000 Mitgliedern, die sich am Wochenende in Erfurt zum zweiten Bundesparteitag der „Alternative für Deutschland“ (AfD) versammelt haben, ist die Stimmung seit zwei Stunden aufgeheizt. Unentwegt werden Geschäftsordnungsanträge gestellt, immer wieder melden sich Mitglieder mit zorniger Stimme zu Wort. Sie beklagen sich über eine angeblich schlechte Vorbereitung des Parteitags. Schon früh zeichnet sich ab, dass die maßgeblich von Parteisprecher Lucke vorangetriebenen Pläne für eine Änderung der Parteisatzung krachend durchfallen werden.

Gerade noch rechtzeitig scheint der 51 Jahre alte Professor die Stimmungslage begriffen zu haben, weshalb er am Ende selbst den Vorschlag einbringt, die Debatte darüber von der Tagesordnung zu streichen. Die AfD-Basis nimmt ihm seinen zerknirschten Rückzieher ab. Die Mitglieder, so scheint es, wollten Lucke Grenzen aufzeigen – aber sie wollten es mit der Demütigung ihres Spitzenmanns auch nicht auf die Spitze treiben.

Im Vorfeld war Lucke vorgeworfen worden, er wolle die Partei auf sich zuschneiden. Außerdem wollte sich der Bundesvorstand Durchgriffsrechte bis in die Ortsverbände einräumen lassen. „Lucke hat es übertrieben“, ist draußen auf den Fluren von nicht wenigen Mitgliedern zu hören. Für Lucke, das Gesicht der AfD, dürfte die Erfurter Schlappe eine völlig neue Erfahrung sein. „Ich bin auch selbst unglücklich darüber“, versucht er sein Vorpreschen in der Satzungsdebatte später zu entschuldigen.

Lucke geht über zu einer ungewohnt heftigen Politik- und Medienschelte

Doch der Parteichef weiß auch, wie er die Gemüter in seiner Euro-kritische Partei wieder einfangen kann. Zwar beklagt er kurz „pseudo-revolutionäre Umgangsformen“ innerhalb der AfD. Dann aber kommt er auf das Urthema Euro-Krise zu sprechen und prangert „schwere Verstöße gegen Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit“ an: „Wir haben unseren Ohren nicht trauen wollen, als die Kanzlerin uns mit der behaupteten Alternativlosigkeit ihrer Politik, zumutete, das eigene Denken abzuschalten“, sagt er.

Wirklich in Schwung bringt Lucke den Parteitag allerdings erst mit einer selbst für AfD-Verhältnisse ungewohnt heftigen Politik- und Medienschelte: Die AfD hätte es 2013 in den Bundestag schaffen können, „wenn unsere politischen Gegner und leider auch ein Teil der Medien uns nicht wieder und wieder verunglimpft und in Misskredit gebracht hätten“. Insbesondere wendet sich der Parteichef gegen den Vorwurf, das Führungspersonal der AfD verfolge insgeheim christlich-fundamentalistische Pläne: „Ich bin nicht sittenstrenger als jeder normale Bürger, der glücklich verheiratet ist.“

Lucke schlägt Henkel als neuen Präsidenten der EU-Kommission vor

Für Sätze wie diesen bekommt Lucke mehr Applaus als für viele seiner inhaltlichen Ausführungen – seine Kritik an der Rente mit 63 zum Beispiel oder an der deutschen Ökostromförderung. Gefeiert wird er wieder, als er Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel als neuen Präsidenten der EU-Kommission vorschlägt. Dieser revanchiert sich später mit der Aussage, Lucke müsse einmal Bundesfinanzminister werden.

So ist die Welt der AfD nach einem turbulenten Parteitagsauftakt dann doch wieder in Ordnung. Auf der zweitägigen Versammlung stand auch das Europaprogramm zur Verabschiedung an. Der Parteitag beschloss es am Samstagabend einstimmig. Das Programm fordert unter anderem ein Vetorecht für die nationalen Parlamente innerhalb der EU und ein Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

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