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Gab Talenten eine Chance. Bundeskanzler Helmut Kohl mit Angela Merkel 1991.

© dpa

Paul Nolte über Helmut Kohl: „Angela Merkel verdankt ihm viel“

Zum 85. Geburtstag des Altkanzlers Helmut Kohl: Der Historiker Paul Nolte analysiert Kohls Macht, Stil – und Kraftausdrücke. Und was er und Angela Merkel gemeinsam haben.

Von Hans Monath

Herr Nolte, zu Helmut Kohls 85. Geburtstag am Freitag veranstaltet die CDU nicht einmal eine Feier. Ist es der Partei peinlich geworden, an den Altkanzler zu erinnern?

Jedenfalls fällt es ihr schwer. Die CDU hat ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Helmut Kohl. Auf der einen Seite steht die große Anerkennung für den Gestalter der deutschen Einheit und den Kanzler, der der Union 16 Jahre lang die Macht sicherte. Aber sein Verhalten in der Parteispendenaffäre und die Weigerung, den Übergang des Parteivorsitzendenamtes erst an Wolfgang Schäuble und dann an Angela Merkel zu akzeptieren, hat andererseits in der Partei tiefe Wunden hinterlassen.

Kohls Verhältnis zu Angela Merkel ist belastet – sie hat als CDU-Generalsekretärin in der Spendenaffäre den Bruch mit ihm vollzogen. Was verdankt sie ihm?

Sie verdankt ihm viel. Er hat ihr Potenzial erkannt, sie ins Kabinett geholt und gefördert, wie er das mit vielen jungen politischen Talenten getan hat. Aber sie verdankt ihm noch mehr. Früher hat man immer die Unterschiedlichkeit der Herkunft betont, Stichwort Ost gegen West, Protestantin gegen Katholiken, Frau gegen Mann. Mit etwas Abstand geraten eher die Gemeinsamkeiten in den Blick.

Macher der deutschen Einheit: Am Freitag begeht Helmut Kohl seinen 85. Geburtstag. Die CDU will ihn dennoch nicht feiern.
Macher der deutschen Einheit: Am Freitag begeht Helmut Kohl seinen 85. Geburtstag. Die CDU will ihn dennoch nicht feiern.

© Uwe Anspach/dpa

Welche sind das?

Beide pflegen einen moderierenden Regierungsstil, bei Helmut Kohl nannte man das Aussitzen. Beide versuchen, als Parteichefs auf pragmatische Weise, die CDU in der Mitte zu halten, damit sie regierungsfähig bleibt. Je mehr Zeit vergeht, umso mehr Ähnlichkeiten werden im Stil des Kanzlers und der Kanzlerin deutlich.

Sind die aktuellen politischen Gefahren – Ukraine, „Islamischer Staat“, Griechenland – so groß, dass die Leistung Kohls bei der Schaffung der Einheit verblasst?

Das glaube ich nicht. Der Erfolg Helmut Kohls bei der Schaffung der Einheit ist unbestritten. Das gilt parteiübergreifend, das ist Teil der nationalen, europäischen und globalen Erinnerung geworden. Auch Kohls Verdienste als Europäer bleiben gegenwärtig: Seine Leistung bestand darin, die deutsche Einheit mit der europäischen Integration zu verbinden.

Die europäische Finanzkrise und das Ringen um die Rettung Griechenlands haben aber Fehler in der Grundkonstruktion des Euro und womöglich der EU deutlich gemacht. Ist Helmut Kohl für diese Fehler verantwortlich zu machen?

Zumindest sein Biograf Hans-Peter Schwarz, einer der besten Kenner Kohls und der CDU, wirft ihm vor, er hätte alle Bedenken gegen den Euro beiseitegeschoben, um die Einheit Europas unumkehrbar zu machen. Ich selbst wäre vorsichtiger. Wir müssen auch sehen, dass die gesamte politische Elite in Deutschland trotz aller übereilten Entscheidungen und Mängeln im Einzelnen die Entscheidung für den Euro weiterhin grundsätzlich für richtig hält und inzwischen durch weitere Schritte wie etwa Instrumente zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit von Mitgliedsländern abzusichern versucht. Ich vermute eher, dass Helmut Kohl in 20 Jahren für diese Entscheidung noch mehr gelobt werden wird als heute.

Paul Nolte (51) ist Professor für Zeitgeschichte an der Freien Universität.
Paul Nolte (51) ist Professor für Zeitgeschichte an der Freien Universität.

© Thilo Rückeis

Kohls Ex-Ghostwriter Heribert Schwan hat enthüllt, dass er in grober Sprache über frühere Mitstreiter urteilt. Schadet dieser Zug seinem Bild in der Geschichte?

Das sehe ich nicht. Sicher hat Helmut Kohl da einen sehr eigenen Stil. Sicher spielt die Verbitterung über Weggefährten eine Rolle, von denen sich Kohl in der Parteispendenaffäre im Stich gelassen fühlt. Wichtiger finde ich die Frage, welchen Stellenwert Helmut Kohl überhaupt in der Erinnerung der Deutschen hat. Sein Verhalten in der Parteispendenaffäre verhindert, dass er im Pantheon der Deutschen als geachtete, makellose Figur dasteht, wie das etwa für Richard von Weizsäcker oder auch Helmut Schmidt gilt. Darunter leidet Helmut Kohl, auch wenn es seine eigene Entscheidung ist, die Namen der Spender nicht zu nennen.

Helmut Kohl sitzt im Rollstuhl und kann kaum sprechen. Beeinflusst das sein Bild in der Öffentlichkeit?
Ja, insofern, als es ihn daran hindert, durch eigene Wortmeldungen sein Bild so zu gestalten, wie er sich das vorstellt. Aber viele Bürger haben heute Angehörige in einer ganz ähnlichen Lage wie der Helmut Kohls. Dieses Schicksal macht ihn deshalb eher menschlicher.

Paul Nolte (51) ist Professor für Zeitgeschichte an der Freien Universität. Er beschäftigt sich auch mit aktuellen politischen Themen.

Das Gespräch führte Hans Monath.

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