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Ferrero-Kinderschokolade-Packungen mit Jugendfotos von Fußball-Nationalspieler Jerome Boateng (u. r.) und Ilkay Gündogan (l). Aktivisten der "Pegida BW-Bodensee" haben sich darüber aufgeregt, dass auf der Kinderschokolade Gesichter abgebildet sind, die nicht "typisch deutsch" aussehen - Nun ist deshalb in den sozialen Netzwerken ein Wirbel darüber entstanden.

© dpa

Update

Pegida und Kinderschokolade: Reaktionen: Vom Berliner Supermarkt bis zum Vatikan

Pegida beschwert sich über Kinderfotos von Nationalspielern mit Migrationshintergrund – und erntet Empörung. Auch der Deutsche Fußballbund reagierte. Und die Katholische Kirche. Was sagen Kunden in Berliner Supermärkten? Und was Lutz Bachmann?

Einige Facebook-Nutzer können oder wollen offenbar nicht verstehen, dass die Marke Kinderschokolade anlässlich der Fußball-Europameisterschaft die Verpackungen nun mit Kinderfotos deutscher Nationalspieler bedruckt. Und dass deshalb neben Mario Götze und Bastian Schweinsteiger auch die Kindergesichter von Spielern mit Migrationshintergrund wie Jerome Boateng und Ilkay Gündogan zu sehen sind. Der Facebook-Post wurde unzählige Male geteilt und kommentiert. So schreibt etwa der User Sebastian G.: „Die versuchen einem echt die Scheiße als normal unterzujubeln, armes Deutschland.“ Und Henrik S. fragt: „Sind das Warnungen vor zukünftigen Terroristen?“

Ausländerfeindliche Kommentare wie diese fanden sich am Mittwoch auf der Facebook-Seite der rechtsradikalen Pegida-Bewegung aus Baden-Württemberg. Auf der Facebook-Seite von „Pegida BW – Bodensee“ war ein Foto von Verpackungen mit den Kindergesichtern von Boateng und Gündogan zu sehen und dazu der Kommentar: „Vor Nichts wird Halt gemacht. Gibt’s die echt so zu kaufen? Oder ist das ein Scherz?“ Auf dem Foto ist allerdings nicht zu erkennen, dass es sich um eine Sonderedition anlässlich der Fußball-Europameisterschaft handelt.

Der Hinweis „Unsere Fußball-Stars als Kinder!“ am linken Rand der Verpackung ist abgeschnitten. Vielleicht auch deshalb rufen die ersten Nutzer der Pegida-Seite rufen zum Boykott der Schokolade auf: „Wird nicht mehr gekauft, sollte das so sein." Doch auch auf den Hinweis, „Sport hat nichts mit Politik zu tun“, reagieren andere erbost: „Es geht um subtile Veränderungen, die nicht hinterfragt werden dürfen im Zeitalter der Political Correctness.“ Am Mittwochnachmittag konnte die Seite allerdings bereits nicht mehr aufgerufen werden – womöglich weil die Empörung über die rassistischen Aussagen so groß war.

"Pudelmütze statt Pegida!“

So meldete sich zum Beispiel auch der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Reinhard Grindel, auf die Hetze der Rechtsextremen zu Wort: „Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist eines der besten Beispiele für gelungene Integration. Millionen von Menschen in Deutschland sind stolz auf diese Mannschaft, weil sie so ist, wie sie ist“, sagte er am Mittwoch im Trainingslager der Nationalmannschaft in Ascona vor Journalisten. Grindel betonte: „Bei uns kommt es auf Leistung an und nicht auf die Herkunft eines Spielers oder an welche Religion er glaubt. Mehr sollte man zu den geschmacklosen Anmerkungen nicht sagen.“

Auch im Internet reagieren zahlreiche Menschen. Unter dem Hashtag #cutesolidarity sammelten zahlreiche Twitter-User ihre Kinderbilder, um Pegida damit zu ärgern. Darunter auch der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler Gerald Asamoah und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Die Politikerin postete ein Mädchenfoto von sich mit Pudelmütze und schrieb: „Wir lassen uns nicht auseinandertreiben! Gegen rassistische Kälte: Pudelmütze statt Pegida!“ Initiiert hatte die Twitter-Aktion der ehemalige Tagesspiegel-Journalist Mohamed Amjahid.

Sogar die Katholische Kirche reagierte - mit Humor. Auf der Facebook-Seite der Katholischen Kirche ist eine Fotomontage zu sehen, die den Papst auf einer Kinderschokolade zeigt. Darunter steht: "Upps! Pegida, auch wir machen vor nichts Halt." Damit wird Bezug auf den Pegida-Kommentar gegen die Kinderschokolade Bezug genommen: "Vor Nichts wird Halt gemacht."

Ein Sprecher des Unternehmens Ferrero sagte dem Tagesspiegel, es habe bisher weder Beschwerden über die neuen Bilder auf der Schokolade gegeben, noch habe sich ein Supermarkt geweigert, die Schokolade zu verkaufen. Der Sprecher erklärte: „Wir von Ferrero möchten uns von jeglicher Form des Fremdenhasses distanzieren.“

„Das ist mal was anderes als die Sammelbildchen, die es sonst immer gibt“

In einem Supermarkt in der Mall of Berlin am Leipziger Platz konnte die Kunden bereits seit gut zwei Wochen Schokolade mit den Fußballerfotos kaufen. „Von den Problemen mit Pegida habe ich in den Nachrichten gehört“, sagt die Filialleiterin. Die Schokolade verkaufe sich aber bisher genauso gut wie die normale Edition, es gebe keine Probleme mit den Kunden. Auch in einem Discounter-Markt in Kreuzberg am Anhalter Bahnhof gab es noch keine Beschwerden. „Wir verkaufen die Sonderedition seit sie im Handel ist, und sie geht sehr gut weg“, sagt eine Mitarbeiterin.

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Auch die meisten Kunden können die Aufregung nicht verstehen. In ihrer Familie gebe es keinen Fremdenhass, sagt eine Berlinerin: „Wir hatten hier in Kreuzberg genug Zeit, uns aneinander zu gewöhnen." Ihre Enkel seien schon aus dem entsprechenden Alter raus, sonst würden sie die Schokoladenpackungen mit den Fußballern mit Sicherheit sammeln. „Und ich würde sie ihnen natürlich kaufen“, sagt die Kundin. Eine andere Frau pflichtet ihr bei: „Das sind doch einfach nur Kinderfotos.“ Auch sie kann die Aufregung nicht verstehen. Nur ein Passant sieht das in Kreuzberg anders: „Sehen Sie sich doch mal um – die Ausländer sind hier schon längst in der Überzahl.“

Pegida-Gründer distanziert sich von der Facebook-Seite

Jörg Wittmann hingegen findet die ganze Aktion lustig. „Das ist mal was anderes als die Sammelbildchen, die es sonst immer gibt“, sagt er. Dass sich Pegida in Baden-Württemberg so aufregt, findet er „total bescheuert“. Und er kaufe die Schokolade jetzt extra: Um die besorgten Bürger von Pegida zu ärgern.

Auch Pegida-Gründer Lutz Bachmann meldete sich zu Wort und sagte auf eine Anfrage von web.de, "Pegida BW-Bodensee" sei "seit Juni 2015 kein offizieller Ableger von Pegida, sondern nutzt widerrechtlich den Namen". Pegida distanziere sich von der Seite. Als Initiator nennt Bachmann einen Mann aus der Schweiz, welcher die "offensichtlich von Rechtsradikalen unterwanderte und missbrauchte Facebook-Seite" betreibe. Bachmann selbst bezeichnet die Äußerungen über die Kinderschokolade-Sonderedition als "unsinnig und mit Verlaub, dumm". Noch vor zwei Tagen teilte die offizielle Seite von Pegida auf Facebook ein Video von "Pegida BW-Bodensee".

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