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Das Neonazi-Trio plante offenbar noch mehr Gewalttaten.

© dapd

Jenaer Neonazis: Plante Terrorgruppe Angriffe auf Politiker?

Auch Abgeordnete könnten im Visier des Jenaer Neonazi-Trios gestanden haben. Die Polizei hat eine Datei mit Namen von Politikern gefunden. Unterdessen geht die Debatte um ein NPD-Verbot weiter.

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Berlin - Das Jenaer Neonazi-Trio plante möglicherweise auch Angriffe auf Abgeordnete sowie türkische und islamische Organisationen. Nach Informationen des Tagesspiegels fand die Polizei im Zusammenhang mit der DVD der Terrorgruppe zu den Morden an acht türkischstämmigen Männern, einem Griechen und einer Polizistin auch eine Datei, auf der die Namen und Adressen des CSU-Abgeordneten Hans-Peter Uhl und des Grünen Jerzy Montag verzeichnet sind. Die Datei stammt aus dem Jahr 2005. Bei der Erstellung der Datei hat dem Trio offenbar auch ein Neonazi-Paar geholfen, hieß es in Sicherheitskreisen.

Unterdessen wird der Verdacht stärker, dass die Terrorgruppe, die sich auf der DVD „Nationalsozialistischer Untergrund“ nannte, aus der rechten Szene Sachsens unterstützt wurde. Nach Recherchen des ARD-Magazins „Fakt“ soll der Mann, der im sächsischen Zwickau Wohnräume an das Trio untervermietet hatte, auch Neonazi sein und sein Konto für Mietzahlungen zur Verfügung gestellt haben. Zudem habe er von 2001 bis 2008 eine Wohnung für Beate Z. gemietet, in der sie unter falschem Namen lebte.

Im Fall des ehemaligen hessischen Verfassungsschützers, der sich 2006 in Kassel am Ort des Attentats auf einen Deutschtürken aufgehalten hatte, gibt es Hinweise auf eine rechtsextreme Vergangenheit des Beamten. Die Polizei fand nach Informationen des Tagesspiegels im Jahr 2006 in der Wohnung des Verfassungsschützers eine Abschrift von Hitlers „Mein Kampf“. Die Staatsanwaltschaft Kassel betonte jedoch am Dienstag, es hätten sich damals keine Anhaltspunkte für eine Beteiligung des Mannes an der Serie der neun Morde ergeben. Der Ex-Verfassungsschützer wurde in eine andere Behörde versetzt.

Angesichts wachsender Forderungen nach einer symbolischen Geste der Anteilnahme für die Opfer der Neonazi-Mordserie bemüht sich die Bundesregierung um Schadensbegrenzung. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) besuchte die Türkische Gemeinde Deutschlands in Berlin. „Wir sind hier, um ein gemeinsames Zeichen zu setzen, dass Ausländerfeindlichkeit und Extremismus in Deutschland keinen Platz haben“, sagte Westerwelle. Zuvor hatte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, eine Geste von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Anteilnahme der deutschen Öffentlichkeit angemahnt.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, schlug eine zentrale Trauerfeier für die mutmaßlich von der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ ermordeten Menschen vor. „Ich schäme mich dafür, dass unser Staat nicht in der Lage war, die Ermordeten und die vielen Verletzten zu schützen“, sagte er.

In der Union stößt die Forderung nach einem raschen neuen Anlauf zu einem NPD-Verbot unterdessen nur auf gebremste Begeisterung. Der CDU-Parteitag hat sich in einem Antrag dafür ausgesprochen, die Frage „im Lichte der Ermittlungsergebnisse“ neu zu prüfen. Erst nach Abschluss der Ermittlungen soll über ein Verbot verhandelt werden. Auch der Prozessvertreter der Bundesregierung beim NPD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht 2003 rät von einer Neuauflage des Verfahrens unabhängig davon ab, ob V-Leute aus der Partei abgezogen würden. „Das Risiko einer Niederlage ist nicht zu vernachlässigen“, sagte der Hamburger Rechtsprofessor Hans Peter Bull dem Tagesspiegel. Die Gewalt der Thüringer Terrorgruppe könne der Partei nicht zugerechnet werden. Es sei fraglich, ob der NPD überhaupt ein Zusammenhang mit Gewalt nachgewiesen werden könne, der nötig sei, um die Partei zu verbieten. Zudem werde die NPD bei einem Neuantrag „Kreide fressen“, sagte Bull. Ihre geringe Bedeutung könnte ein Verfahren zum Scheitern bringen. „Das Verhältnismäßigkeitsprinzip kann dagegen sprechen, eine ungefährliche Partei zu verbieten.“

Thüringen will alle Vorgänge rund um das Terror-Trio untersuchen lassen. Eine Kommission unter Leitung des früheren Bundesrichters Gerhard Schäfer hat nun von Innenminister Jörg Geibert (CDU) freie Hand bekommen, den Misserfolg der Ermittler zu untersuchen.

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