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Polens neuer Außenminister Witold Waszczykowski (links)

© dpa/EPA/Olivier Hoslet

Polen, das Mediengesetz und die EU: Polens Außenminister gegen "Welt aus Radfahrern und Vegetariern"

Die EU droht Polen wegen dessen Mediengesetz mit Maßnahmen. Außenminister Witold Waszcykowski warnt derweil vor einem "neuen Mix von Kulturen und Rassen".

Polens graue Eminenz Jaroslaw Kaczynski und seine Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) sind aus Sicht der EU deutlich zu weit gegangen. Nachdem das von Kaczynskis Partei kontrollierte Parlament am Silvesterabend ein äußerst umstrittenes Mediengesetz verabschiedet hat, will der für die Pressefreiheit zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger die Notbremse ziehen.

„Es spricht viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen“, sagte der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Oettinger sieht in Polen Gefahren für die Pressefreiheit. Der Fall Polen soll auf der EU-Kommissionssitzung von 13. Januar diskutiert werden.

Am Ende könnte der polnischen Regierung der Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene drohen. Zuvor hatte am Wochenende bereits der EVP-Fraktionschef im Europaparlament, Manfred Weber, der PiS-Regierung vorgeworfen, sie stelle „zentrale europäische Prinzipien und Werte zur Debatte“.

Polens neues Mediengesetz sieht die Säuberung der Chefetagen sowie die Nationalisierung des bisher öffentlich-rechtlichen polnischen Radios und Fernsehens vor. Die Intendanten werden demnach künftig vom Schatzminister ernannt und können jederzeit ohne Nennung von Gründen wieder abberufen werden. Auch die bisher zwar staatliche, doch unparteiische Presseagentur PAP kommt nun unter die Knute der PiS-Regierung.

Außenminister gegen eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern

Polens Außenminister hat sich gegen die Kritik aus der EU-Kommission am neuen Mediengesetz seines Landes verwahrt. „Wir wollen lediglich unseren Staat von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann“, sagte Witold Waszcykowski im Interview mit „Bild“. Bei den Medien sei unter der Vorgängerregierung ein bestimmtes linkes Politikkonzept verfolgt worden. „Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen – zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energie setzt und gegen jede Form der Religion kämpft.“ Das habe mit traditionellen polnischen Werten nichts zu tun.

Krempelt das Land um. Parteichef Jaroslaw Kaczynski.
Krempelt das Land um. Parteichef Jaroslaw Kaczynski.

© REUTERS

Alle Fernsehchefs haben bereits in der Nacht auf Samstag unter Protest ihre Kündigung eingereicht. Damit kommen sie der PiS zuvor, die ihnen in den vergangenen Tagen immer wieder „tendenziöse“ Berichterstattung vorgeworfen hatte. Als neuer Chef des Polnischen Staatsfernsehens TVP wird der antideutsche Danziger Rechtsaußenpolitiker Jacek Kurski gehandelt.

Nachdem die PiS bei den Wahlen Ende Oktober die absolute Mehrheit in beiden polnischen Parlamentskammern Sejm und Senat erobert hatte, peitschte sie im Eiltempo eine Reihe umstrittener Gesetze durch, die den polnischen Staat reformieren sollen. Die wichtigste Gesetzesnovelle entmachtete kurz vor Weihnachten das alte Verfassungsgericht als Hüterin der Demokratie. In einer Sondersitzung wurden danach zwischen Weihnachten und Neujahr Gesetze durchgepeitscht, die die Säuberung der öffentlichrechtlichen Medien und des Beamtenapparats erleichtern.

Vor allem das neue Mediengesetz hat über Neujahr „Reporter ohne Grenzen“, aber auch die EU und den Europarat zu teils scharfen Protesten veranlasst. Viele sehen die Pressefreiheit in Gefahr. Allerdings ist Jaroslaw Kaczynskis Polen nicht Wladimir Putins Russland. Polen hat mehrere große Privatsender und Zeitungsverlage.

Die PiS hat indes bereits einen zweiten Teil ihres Mediengesetzes in Arbeit. Es zielt darauf ab, auch inhaltliche Vorschriften gesetzlich zu verankern, zum Beispiel mehr Patriotismus. Auch soll ein neues Finanzierungsmodell gefunden werden. TV-Werbung soll entgegen ersten Plänen aber weiterhin erlaubt sein. In einem dritten Schritt sollen später auch bisher private Medienhäuser nationalisiert werden können, um die von der PiS kritisierte deutsche Mediendominanz in Polen zu brechen. (mit rtr)

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