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In der polnischen Armee wächst der Unmut über den radikalen Umbau.

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Polen: Radikaler Umbau an der Spitze der Armee

Polens nationalkonservative Regierung krempelt seit ihrem Machtantritt das Land um. Jetzt sind die Streitkräfte an der Reihe.

Die rechtskonservative Regierung in Polen hat seit ihrem Amtsantritt 2015 rund 90 Prozent der Posten im Generalstab der Streitkräfte und 80 Prozent im Offizierskorps insgesamt neu besetzt. Verteidigungsminister Antoni Macierewicz verbucht diese Säuberung als großen Erfolg. „Ich habe fast alle Heerführer ersetzt“, prahlte er kürzlich in einem Interview. Die Entlassenen seien „nicht auf die neuen strategischen Ziele vorbereitet“ gewesen, begründete Macierewicz diese radikalen Veränderungen. Polen stehe von neuen Herausforderungen, meint der Minister: Russland verstärke seinen Druck auf Osteuropa, und russische Agenten könnten sich auch in Polens liberaler Opposition eingenistet haben. „Keine Angst, die neuen Kader sind so erfahren wie die alten“, versicherte Macierewicz.

Die Opposition erwidert, durch diesen Umbau in der Armee würden wertvolle Erfahrungen vernichtet. Darüber hinaus gingen persönliche Kontakte verloren, die bis in die oberen Etagen des Pentagon reichen. Die regierungskritische Zeitung „Gazeta Wyborcza“ spekuliert sogar darüber, ob ein Abzug der US-Soldaten als Reaktion auf den radikalen Umbau der Führung möglich sei.

In zwei Wochen zum General

Noch nie seit der Wende habe es in der polnischen Armee ein solches Köpferollen gegeben, meint der Offizier Tomasz R. im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das Vorgehen des Ministers löse schiere Wut im Offizierskorps aus. Bisher sei es üblich gewesen, dass die Stellvertreter ihren Kommandeur ersetzt hätten, nun würden jüngere Kader gleich zwei bis drei Dienstränge überspringen. Er will sogar von nur zweiwöchigen Generalskursen gehört haben. „Die Armee ist eine streng hierarchisierte Gesellschaft mit klaren Aufstiegsregeln, nun werden diese Befehlsketten willkürlich durchbrochen. Die neuen Kader genießen so kein Vertrauen der Untergebenen“, analysiert Tomasz R. das Problem.

In einem Interview mit der „Gazeta Wyborcza“ hatte der kürzlich aus Protest zurückgetretene polnische Oberbefehlshaber Miroslaw Rozanski gar die Möglichkeit eines Militärputsches angedeutet, indem er auf Jozef Pilsudskis Staatsstreich vom Mai 1926 hinwies. Damals hatte Pilsudski an der Spitze ihm ergebener Regimenter den Staatspräsidenten und die Regierung zum Rücktritt gezwungen. Das Interview Rozanskis habe vor allem unter den rund 20 000 organisierten Reservisten ein großes Echo gefunden, berichtet Tomasz R.

Politische Paranoia

Auch der Ende 2015 zurückgetretene Geheimdienstchef der Armee, Piotr Pytel, schlug kürzlich Alarm. „Der Verteidigungsminister will nicht nur einen neuen Staat, sondern auch eine ganz neue Armee“, sagte er der „Gazeta Wyborcza“. Der russische Geheimdienst würde dies zu nutzen wissen, und seine Leute einschleusen, warnte Pytel. Polens starker Mann, PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski und Macierewicz sind tatsächlich der Auffassung, dass Polen nach der Wende bis zum Sieg ihrer Partei „Recht und Gerechtigkeit“ nur ein hybrider Staat gewesen sei, den sie nun vernichten und neu aufbauen müssen. Angeblich habe es ein Komplott zwischen den vor 1989 regierenden Kommunisten und linken Kräften in der „Solidarnosc“ gegeben. Diese Kräfte hätten nicht nur die Wirtschaft unterwandert, sondern auch die Armee.

Die derzeitige Säuberungswelle im Offizierskorps ist eine Folge dieser Auffassungen. Entlassen werden vor allem Offiziere, die ihren Wehrdienst vor der Wende begannen und dann nach dem Ende des Sozialismus Karriere machten. „Die neuen Kader sind der Regierung natürlich loyal ergeben, besonders wenn sie noch Jahre auf den Generalsrang hätten warten müssen – oder wenn sie mangels Leistungen oder Ausbildung nie so weit nach oben gekommen wären“, meint Tomasz R.

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