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Seit Jahren aktiv. Irmela Mensah-Schramm 2012 beim Entfernen von Nazi-Aufklebern in Berlin-Schöneweide.

© Mike Wolff

"Polit-Putze" Mensah-Schramm: Die Antifa-Aktivistin und die Querfront

Irmela Mensah-Schramm aus Zehlendorf beseitigt seit mehr als 30 Jahren rechte Graffitis. Seit einiger Zeit stützt sie sich auf dubiose Helfer.

Von Matthias Meisner

Die Linken-Politikerin Petra Pau war voll des Lobes. "Unermüdlich" sei der Einsatz von Irmela Mensah-Schramm, sagte die Bundestagsvizepräsidentin, als sie vergangene Woche die Ausstellung "Hass vernichtet" in der Berliner Urania eröffnete. Die ehrenamtliche Arbeit, so Pau weiter, sei "auch nach über 30 Jahren wichtiger denn je".

Noch bis zum 20. Dezember werden in der Urania Fotos von Hass-Schmierereien und -Aufkleber gezeigt. Die in Zehlendorf lebende Mensah-Schramm hat sie zusammengetragen, dokumentiert und entfernt - mehr als 70.000 sind es inzwischen. Ein "Vorbild für junge Leute" sei die 71 -jährige Aktivistin geworden, meinte Pau. Mensah-Schramm sei "eine mutige Antifaschistin" und "das Rückgrat einer antirassistischen Zivilgesellschaft". Mensah-Schramm, die auch als "Polit-Putze" apostrophiert wird, selbst erklärte: "Ich beseitige Hass-Graffiti, weil ich den Hass vernichten möchte. Das ist mein Kampf gegen rechts."

Der ist weithin anerkannt. Und doch gibt es ein Problem: Denn die "Ikone des Kampfes gegen rechts" hat sich seit einiger Zeit mit Leuten eingelassen, zu denen unbequeme Fragen angebracht sind. Allen voran ist das Mathias Tretschog, nach eigenen Angaben Betriebswirt und Sachbuchautor. Er gehört zum Querfront-Milieu, das keine Berührungsängste zu Rechtspopulisten kennt. Der Begriff "Querfront" wird verwendet, wenn sich Rechte und Linke gemeinsam versammeln. Er stammt aus der Weimarer Republik und bezeichnet eine rechtsradikale Bündnisstrategie, die Gemeinsamkeiten zwischen Rechten und Linken hervorhebt.

Tretschog tritt auf quasi als Manager von Mensah-Schramm. Er organisiert Termine der Wanderausstellungen und Lesungen, nimmt Anfragen und Telefonate für sie entgegen. Zugleich hat er sich gut vernetzt auch in der Verschwörungstheoretiker-Szene. Zu seinem Umfeld gehört etwa Malte Klingauf, früher Moderator der "Montagsmahnwachen für den ersten Weltfrieden" am Brandenburger Tor, zu denen auch immer wieder Reichsbürger kamen. Gemeinsam initiierten Tretschog und Klingauf im Juni das Festival "Pax Terra Musica" auf dem stillgelegten Flughafen Niedergörsdorf im Süden Brandenburgs - dort unter den Teilnehmern: Israel-Hasser, esoterische Hetzer und Anhänger von Verschwörungstheorien.

"Friedensfest klingt doch gut"

Ahnungslose Künstler, die bei dem Festival auftreten sollten (und dachten: "Friedensfest klingt doch gut"), wurden damals über die Hintergründe gewarnt und sagten daraufhin ab. Irmela Mensah-Schramm hielt aber trotz der Warnungen zu Tretschog und kam nach Niedergörsdorf, wurde so zum "Feigenblatt" für die Aluhüte.

Der Blogger Matrochka hat dieser Tage auf 41 Seiten dokumentiert, wie diese Aktivitäten ablaufen - mit Kontakten etwa zu Linken-Politikern wie Petra Pau solle "die neurechte Querfront suggerierend seriös" ins linke Spektrum gebracht werden, schreibt er. Mensah-Schramm habe dabei eine "Alibi-Funktion". Matrochka sieht im Netzwerk insgesamt Verbindungen etwa zu Freunden und Sympathisanten von Jürgen Elsässer und dem neurechten "Compact-Magazin". Er dokumentiert, dass Tretschog den hoch umstrittenen Ex-RBB-Moderator Ken Jebsen ("Ken FM") auf Twitter für "Engagement" und "Zivilcourage" gelobt hat. Ein kundiger journalistischer Beobachter der Szene sagte dem Tagesspiegel, Mensah-Schramms Verhältnis zu Tretschog sei "dermaßen eng, dass es schon fast an ein Stockholm-Syndrom erinnert".

Irmela Mensah-Schramm protestiert im November 2016 gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten in Berlin.
Irmela Mensah-Schramm protestiert im November 2016 gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten in Berlin.

© Jörg Carstensen/dpa

Die Verdienste von Mensah-Schramm haben sehr viel Anerkennung gefunden. Im vergangenen Jahr hatte sie mit ihren Leihgaben eine tragende Rolle in der Ausstellung "Angezettelt" des Deutschen Historischen Museums Berlin, die sich antisemitischen und rassistischen Aufklebern widmete. Die Ausstellungsmacher dankten Mensah-Schramm, "ohne deren Leidenschaft und Großzügigkeit 'Angezettelt' undenkbar" gewesen wäre.

Immer wieder bedroht und angefeindet

Immer wieder wurde Mensah-Schramm bedroht und angefeindet. Es gab es auch juristische Auseinandersetzungen. Im Juli wurde in Berlin ein Verfahren gegen Mensah-Schramm eingestellt, nachdem sie in einem Zehlendorfer Fußgängertunnel aus dem Graffiti "Merkel muss weg" ein "Merke! Hass weg!" gemacht hatte - zunächst war sie wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt worden. Im sächsischen Bautzen wurde sie 2016 von einem Polizisten angezeigt, weil sie Nazi-Parolen auf einem Verteilerkasten übersprüht hatte. Ebenfalls im vergangenen Jahr hatte sie wegen ihres Protests gegen Pegida Ärger mit der Polizei.

Von Mensah-Schramm und Tretschog war am Donnerstag keine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu erhalten. Wenig komfortabel ist die Querfront-Verstrickung auch für die Linke. Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer und Bundestagsvizepräsidentin Pau hatten sich erst vor kurzem in den Streit um eine zunächst im Berliner Babylon-Kino geplante Verleihung eines alternativen Kölner "Karlspreises" an Ken Jebsen eingeschaltet, auch er ist im Verschwörungstheoretiker-Milieu beheimatet. Lederer wetterte gegen einen "Jahrmarkt der Verschwörungsgläubigen und Aluhüte". Pau zeigte sich nach Solidarität der Linken-Politiker Wolfgang Gehrcke und Diether Dehm mit Jebsen "entsetzt". Sie twitterte: "Querfront ist einfach übel." Auch Pau und Lederer äußerten sich zu der Kontroverse um Mensah-Schramm zunächst nicht.

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