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Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht in Ankara zu kommunalen Verwaltungsbeamten.

© Kayhan Ozer/dpa

Politische Gefangene: Weiterer deutscher Häftling in der Türkei freigelassen

Ankara bemüht sich in der Krise mit Berlin um Entspannung. Nun ist ein weiterer Deutscher in der Türkei aus der Haft entlassen worden. Gegner der Syrien-Offensive werden derweil verfolgt.

Knapp ein Jahr nach der Festnahme des „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel ist in der Türkei ein weiterer aus politischen Gründen inhaftierter Deutscher freigelassen worden. Das Auswärtige Amt bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass die Zahl der politischen Häftlinge mit deutscher Staatsbürgerschaft in dem Land damit auf sechs gesunken sei.

Details zur jüngsten Freilassung gab das Auswärtige Amt nicht bekannt, die Behörde berief sich auf Datenschutzgründe. Nach dpa-Informationen wurde der Mann am Dienstag aus der Haft entlassen, darf aber nicht ausreisen, weil der Prozess gegen ihn weiterläuft.

Der prominenteste Gefangene ist der deutsch-türkische Journalist Yücel (44), dessen Festnahme am kommenden Mittwoch genau ein Jahr zurückliegt. Die türkische Staatsanwaltschaft hat immer noch keine Anklageschrift gegen ihn vorgelegt.

Yücel hat gegen seine Untersuchungshaft Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg und beim türkischen Verfassungsgericht eingereicht. Wann mit Entscheidungen zu rechnen ist, ist nicht bekannt.

Seit Juli 2016 mindestens 28 Deutsche verhaftet

Gegen Yücel war im Februar 2017 wegen der Vorwürfe der Terrorpropaganda und der Volksverhetzung Untersuchungshaft verhängt worden. Die Regierung hat diese Vorwürfe in Stellungnahmen an den EGMR und an das türkische Verfassungsgericht wiederholt.

Die Bundesregierung fordert die Freilassung Yücels und der anderen Deutschen, die aus politischen Gründen in der Türkei im Gefängnis sitzen. Die Regierung in Ankara verweist in dem Zusammenhang regelmäßig auf die Unabhängigkeit der türkischen Justiz, die Menschenrechtsorganisationen allerdings in Frage stellen.

Die Festnahmen deutscher Staatsbürger - denen vor allem Terrorvorwürfe gemacht werden - haben im vergangenen Jahr eine bilaterale Krise ausgelöst, in deren Zuge die Bundesregierung im Sommer ihre Türkei-Politik verschärft hat. Die türkische Regierung bemüht sich seit einigen Monaten um Entspannung. Der größte Streitpunkt ist die Inhaftierung Yücels.

Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 sind mindestens 28 Deutsche verhaftet worden - mindestens 22 sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Davon namentlich bekannt sind nur wenige wie der Menschenrechtler Peter Steudtner und die Übersetzerin Mesale Tolu. Die Freilassungen dieser beiden haben zu einer leichten Entspannung des deutsch-türkischen Verhältnisses geführt.

Insgesamt befinden sich derzeit 47 deutsche Staatsangehörige in türkischer Haft. In den Fällen, in denen politische Vorwürfe keine Rolle spielen, geht es um Drogenvergehen, Diebstahl, Körperverletzung und Tötung.

Verhaftungen von Gegnern der Offensive in Syrien

Mit Härte geht die türkische Führung derweil gegen Kritiker ihrer Offensive in der nordsyrischen Region Afrin vor. Am Freitag erließ die Staatsanwaltschaft in Ankara Haftbefehl gegen 17 weitere Personen, darunter die Co-Vorsitzende der zweitgrößten Oppositionspartei HDP, Serpil Kemalbay. Ihnen werde vorgeworfen, unter dem Vorwand der Kritik gegen die Afrin-Offensive Straßenproteste und Ausschreitungen organisieren zu wollen, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die HDP, deren zweiter Co-Vorsitzender Selahattin Demirtas wegen mutmaßlicher Verbindungen zu militanten Kurden bereits in Haft sitzt, ist die einzige größere Partei, die in der Türkei gegen die "Offensive Ölzweig" gegen die Kurdenmiliz YPG auftritt. Am Sonntag ist der jährliche Parteitag in Ankara geplant.

Die Türkei betrachtet die YPG als Schwesterorganisation der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK und rückt seit Januar mit Luftangriffen und Bodentruppen gegen die Gruppe vor. Wegen Kritik daran wurden schon rund 600 Menschen festgenommen, die unter anderem ihren Protest über soziale Medien verbreitet hatten. (dpa/Reuters)

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