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Das erste Mal - seit 2010. Homosexuellen-Parade am Sonntag in Belgrad.

© Andrej Isakovic/AFP

Update

Polizisten verprügeln Bruder des Regierungschefs: Homosexuellen-Parade in Belgrad

6000 Polizisten sind im Einsatz, um die erste Homosexuellen-Parade in Belgrad seit 2010 zu schützen. Der Bruder des serbischen Regierungschefs wird am Rande der Demonstration von Sonderpolizisten verprügelt.

Von Matthias Meisner

Zum ersten Mal seit vier Jahren sind rund tausend Schwule und Lesben am Sonntag wieder auf ihrer Belgrad Pride Parade durch die serbische Hauptstadt gezogen. Mehrere Minister der serbischen Regierung marschierten bei der von einem massiven Polizeiaufgebot abgesicherten Parade mit, um ihren Respekt für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen (LGBT) zu zeigen.

6000 Polizisten schützten die Demonstration durch die serbische Hauptstadt, die in den vergangenen Jahren stets verboten worden war - unter Hinweis auf Sicherheitsgründe, nachdem es 2010 zu schweren Ausschreitungen durch Rechtsextreme gekommen war. Damals waren mehr als 150 Menschen verletzt worden. Die EU hatte von ihrem Beitrittskandidaten Serbien unter Verweis auf die Achtung von Minderheitenrechten verlangt, dass der Umzug stattfindet.

Völlig friedlich verlief auch die Demonstration am Sonntag nicht. Der Bruder des serbischen Regierungschefs Aleksandar Vucic, Andrej, wurde von Sonderpolizisten am Rande der Pride Parade so sehr verprügelt, dass er ins Krankenhaus musste. Er war samt seiner Leibwächter mit den Polizisten aneinandergeraten, berichteten die Medien übereinstimmend in der serbischen Hauptstadt. Wie schwer er verletzt wurde, war zunächst unbekannt. Sein Bruder Aleksandar berief eine außerplanmäßige Pressekonferenz ein.

Noch vor einigen Tagen hieß es, die Parade könnte auch in diesem Jahr ganz ausfallen - wegen eines landesweiten Polizisten-Streiks. Ohne ausreichende Zahl an Sicherheitskräften könne der Umzug von Schwulen und Lesben nicht stattfinden, teilten Vertreter der Polizeigewerkschaften noch am Mittwoch in Belgrad mit.

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In diesem Jahr war die Stimmung auf dem Umzug dann insgesamt entspannt - abgesehen von der Attacke auf den Bruder des Regierungschefs. Hunderte Teilnehmer trugen Banner und Fahnen in den Farben des Regenbogens und mit den Slogans "Stolz, Frieden, Liebe". Er sei glücklich, "frei" durch "sein" Belgrad laufen zu können, sagte ein 26-jähriger Teilnehmer, als die Parade vor dem Belgrader Rathaus endete.

Auch der Bürgermeister von Belgrad, Sinisa Mali, beteiligte sich an der Veranstaltung, die erst kurzfristig genehmigt worden war. Mehrere Politiker aus dem Ausland nahmen teil, etwa der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck sowie der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD).

Menschenrechtsbeauftragter Strässer: Wichtiges Signal für Beitrittsverhandlungen

Strässer erklärte am Sonntag in Belgrad, er nehme "sehr gerne" an der Demonstration teil: "Die Abhaltung der Parade ist auch ein wichtiges Signal für die Beitrittsverhandlungen Serbiens mit der Europäischen Union. Die serbische Regierung erfüllt damit die ihr obliegende Aufgabe, ihren Bürgern das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu garantieren und sie vor Übergriffen durch gewaltbereite Gruppen zu schützen. Ich ermutige Serbien, diesen Weg weiter zu beschreiten."

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Dabei war auch die Grünen-Europaabgeordnete Terry Reinke. Der deutsche Botschafter in Serbien, Heinz Wilhelm, wollte ebenfalls teilnehmen. Beck sprach im Kurznachrichtendienst Twitter unter Hinweis auf das große Polizeiaufgebot von einer "gespenstischen Ruhe auf den Straßen". Dass die Veranstaltung überhaupt nach mehrjähriger Pause wieder stattfinde, sei jedoch "ein ersten Schritt".

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Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm. Polizisten mit Maschinengewehren standen am Rande der Straßen, auf denen sich der kurze Demonstrationszug bewegte. Auch Panzerfahrzeuge der Sicherheitskräfte waren im Einsatz. Auf der Internetseite der deutschen Botschaft in Belgrad hieß es, es könne wegen der "Pride Parade (Demonstration von Homosexuellen für ihre Rechte) im Zentrum von Belgrad zu Verkehrsstörungen kommen".

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Das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche, Patriarch Irinej, hatte sich in der vergangenen Woche sich gegen den Umzug ausgesprochen und einmal mehr Homosexuelle mit Pädophilen gleichgesetzt. Er wurde deshalb heftig kritisiert - sowohl in Zeitungskommentaren als auch von führenden Politikern Serbiens. Die Äußerungen des Kirchenführers seien „gefährlich, unchristlich und unterstützen eine Gewaltatmosphäre in der Gesellschaft“, sagten Spitzenpolitiker der drei größten Parteien des Landes der Belgrader Zeitung "Danas". Die Kirche verbreite damit "Menschenfeindlichkeit". Die größte serbische Zeitung "Blic" wertete das Auftreten des Patriarchen als Aufruf zur Gewalt.

Enorme Sicherheitsvorkehrungen. Zum Schutz der Demonstranten setzt die Belgrader Polizei auch Panzer ein
Enorme Sicherheitsvorkehrungen. Zum Schutz der Demonstranten setzt die Belgrader Polizei auch Panzer ein

© Andrej Isakovic

Der Grünen-Abgeordnete Beck hatte die Bundesregierung aufgefordert, sich nach der Einschränkung des Asylrechts für Serbien besonders verantwortlich zu fühlen für die serbischen Schwulen und Lesben. Dies gelte insbesondere für die Homosexuellen-Parade in Belgrad, sagte Beck. "Nachdem Bundestag und Bundesrat Serbien in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen haben, ist es die Verantwortung der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass die Situation vor Ort dieser Einstufung nicht Hohn spricht", erklärte Beck. Ein Staat, der nicht willens sei, seine Bürger zu schützen, sei "nach allen Kriterien kein sicherer Herkunftsstaat". (mit dpa/AFP)

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