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Stopp. Das sogenannte Racial Profiling ist umstritten.

© dpa

Racial Profiling: Hautfarbe darf kein Grund für Kontrolle sein

Wer dunklere Haut hat, muss in Deutschland ständig mit Kontrolle rechnen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hält das Gesetz, das Polizisten das Recht dazu gibt, für rassistisch.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert die Abschaffung willkürlicher „anlassloser“ Polizeikontrollen als rassistisch. Entsprechende Vorschriften müssten aus dem Bundespolizeigesetz (BPolG) gestrichen und auch Ländergesetze und –vorschriften daraufhin geprüft werden, heißt es in einer Studie des Instituts, die am Mittwoch. vorgestellt wurde. Die Regelung in in § 22 BPolG verstoße gegen das Grundgesetz, gegen europäisches Recht und gegen mehrere Antirassismus-Abkommen, die Deutschland unterschrieben hat.

Der Autor der Untersuchung, Hendrik Cremer, hatte sich mit dem Gesetz unter dem Aspekt des sogenannten „Racial Profiling“ auseinandergesetzt, also der Praxis, anhand von körperlichen Merkmalen wie Hautfarbe oder Form des Gesichts zu entscheiden, ob eine Person polizeilich überwacht und kontrolliert wird. Bürgerrechts- und Migrantenvereinigungen beklagen seit langem, dass dies Menschen nichtweißen Aussehens ständiger Kontrolle aussetzt und sie unter Generalverdacht stellt. Im vergangenen Jahr hatte ein dunkelhäutiger deutscher Student, der solche Kontrollen wiederholt über sich hatte ergehen lassen müssen, dagegen geklagt – in zweiter Instanz mit Erfolg. Die beiden Bundespolizisten, die ihn zur Feststellung seiner Personalien aus einem Zug geholt hatten, gaben im Verfahren zu, dass allein seine Hautfarbe ihren Verdacht erregt hatte.

Dies aber verbieten sowohl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie auch die Europäische Menschenrechtskonvention, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Anti-Rasismus-Konvention. Neben einem erheblichen Eingriff in die persönlichen Rechte des oder der Kontrollierten – er oder sie muss neben persönlichen Daten etwa auch offen legen, zu wem und wohin eine Reise geht – ist auch sein Alltag betroffen: Cremer erwähnte während der Vorstellung der Studie Berichte von Betroffenen, die den Bahnhof der eigenen Stadt meiden oder immer wieder Züge verpassten, weil sie in Kontrollen gerieten. Hinzu kommen Folgen für die Gesellschaft insgesamt: „Die Betroffenen werden dadurch öffentlich für die ganze Umgebung sichtbar in einen kriminellen Kontext gestellt“, heißt es in der Studie. Schließlich müssten Beobachter davon ausgehen dürfen, „dass sich eine Person verdächtig gemacht hat, wenn sie kontrolliert wird“. Da die Polizisten zudem als Staatsgewalt aufträten, hätten solche Kontrollen eine fatale Wirkung: Sie „bekräftigten in besonderem Maße“ Stereotype gegen Minderheiten, die in der Bevölkerung ohnedies bestünden. Dies sei umso gravierender, weil verdachtsunabhängige Kontrollen nicht Ausnahmen seien, sondern „alltägliche Praxis der Bundespolizei“ in Grenzgebieten, auf Flughäfen oder Bahnhöfen. Das Ziel, das das Gesetz nennt, illegale Migration zu verhindern, sei anders als diese massiven Eingriffe in Grundrechte kein „hochrangiges Verfassungsgut“.

Rassistische Diskriminierung?

Aus der Studie lässt sich auch eine fast völlige Unbrauchbarkeit des „Racial Profiling“ im Blick auf die selbst gesteckten Ziele folgern: Gerade einmal ein Prozent der immerhin 2,5 Millionen Menschen, die zwischen 2002 und 2006 „verdachtsunabhängig“ kontrolliert wurden, waren tatsächlich Ausländer ohne Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis. Zwischen 1999 und 2002 waren es noch weniger, ein halbes Prozent. Die Daten entnahm Autor Cremer Erfahrungsberichten des Bundesinnenministeriums, die ursprünglich als geheime Verschlusssachen behandelt wurden. Um sie zu sehen, musste er das Informationsfreiheitsgesetz bemühen.

Nötig wurden diese Erfahrungsberichte, auch dies zeichnet die Studie nach, weil es schon im Gesetzgebungsverfahren 1998 starke Bedenken gegen Kontrollen gegeben hatte, deren Kriterium das Bauchgefühl der Polizeibeamten (im Text ist von „Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung“ die Rede) sein sollte. Zweimal wurde das novellierte Gesetz befristet. Der Bundesrat hatte europarechtliche Bedenken und im Innenausschuss des Bundestags wurde bereits die Gefahr rassistischer Diskriminierung diskutiert. Aber nicht nur die: Der frühere Düsseldorfer Polizeipräsident Hans Lisken kritisierte „Jedermannkontrollen“ scharf als „Methode aus dem Arsenal des Ausnahmezustands“ und sah etwa die Reisen aller Bürger unter den Vorbehalt gestellt, dass sie sich dafür vor der Staatsmacht rechtfertigen müssten.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte kommt in seiner Empfehlung, die entsprechenden Regelungen im BPolG zu streichen, zu einem ebenso harten Urteil: Die Norm selbst sei bereits „auf Diskriminierung angelegt“. Das Gesetz mache Kontrolle unabhängig vom Verhalten einer Person möglich und unterstelle, dass sich der Aufenthaltsstatus von Menschen aus ihren körperlichen Merkmalen wie Hautfarbe und Gesichtszügen folgern lasse. Die Beamtinnen und Beamten nimmt die Studie implizit gegen den Vorwurf des Rassismus in Schutz. Der liege vielmehr „in der Norm selbst begründet“, weil sie die Polizei geradezu aufforderte, „anhand von Pauschalverdächigungen selektiv und damit rassistisch“ zu kontrollieren. Insofern sei die Streichung der Vorschrift auch im Interesse der betroffenen Beamten, sagte Autor Cremer während der Vorstellung der Studie: Bei den Kontrollen komme es immer wieder zu aggressiven Auseinandersetzungen zwischen den Kontrollierten und den Polizisten, die sich dem Vorwurf ausgesetztsehen, sie seien Rassisten. Dass sie darauf verständnislos reagierten, sei "nachvollziehbar", denn sie hätten schließlich nur "gehandelt, wie sie sollten". Dass Polizisten aber angeleitet würden, grundgesetzwidrig zu handeln, so Cremer, "ist in einem Rechtsstaat nicht tragbar".

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