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Russlands Präsident Wladimir Putin am Mittwoch im Kreml.

© Pavel Golovkin/AFP

Update

Reaktionen auf Luftangriff in Syrien: Putin sieht "schweren Schlag" für Verhältnis zu USA

Russland wertet den amerikanischen Luftangriff in Syrien als "Aggression gegen einen souveränen Staat". Europäische Politiker rufen zu einer diplomatischen Konfliktlösung auf. Die Reaktionen im Überblick.

Die Krise in Syrien droht nach einem US-Luftangriff weiter zu eskalieren. Der amerikanische Präsident Donald Trump ließ als Antwort auf einen mutmaßlichen Giftgasangriff einen Luftwaffenstützpunkt in dem Bürgerkriegsland bombardieren. Die internationalen Reaktionen sind gespalten: Während er Zustimmung aus dem Westen erfährt, darunter von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande, kommt aus dem Kreml scharfe Kritik. (Alle Entwicklungen im Newsblog.)

Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte das Bombardement als einen Angriff auf die Souveränität Syriens. Das US-Vorgehen sei ein "Akt der Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch mit einem erdachten Vorwand“. Der Angriff füge den Beziehungen zu Washington "beträchtlichen Schaden" zu. Weiter hieß es, die syrische Armee habe keine Chemiewaffen mehr, das habe nach der Entwaffnung auch die zuständige UN-Organisation bestätigt.

Russland ist der wichtigste Verbündete Syriens. Seit September 2015 fliegt Russlands Luftwaffe Angriffe in dem Land. Sie richten sich gegen den IS ebenso wie gegen Rebellen, die mit der Terrormiliz verfeindet sind.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete Trumps Vorgehen als "Akt der Aggression", der ihn an den Angriff des Westens auf den Irak 2003 ohne UN-Mandat erinnere. Russland werde von den USA eine Erklärung verlangen; er hoffe, dass die "Provokation" nicht zu einem irreparablen Schaden der Beziehungen zu den USA führen werde. Russen seien bei dem Angriff nicht getötet worden.

Als Reaktion auf den Angriff setzte Russland eine mit den USA geschlossene Vereinbarung über die Vermeidung von Zusammenstößen im syrischen Luftraum aus, wie eine Sprecherin des Außenministerium mitteilte. Bislang hatten beide Länder Daten über Flugbewegungen ausgetauscht, um Kollisionen zu verhindern. Die russische Regierung forderte dem Außenministerium zufolge eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrat, um über die derzeitige Lage zu beraten. Der UN-Sicherheitsrat hatte sich am Mittwoch mit dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien vom Dienstag befasst. Russland blockierte jedoch eine Resolution, die den Angriff verurteilt und eine Untersuchung verlangt.

Auch die syrische Regierung hat inzwischen auf den US-Angriff reagiert und ihn als "dumm und unverantwortlich" bezeichnet. Das Verhalten Amerikas offenbare nur dessen "Kurzsichtigkeit und politische und militärische Blindheit für die Realität", erklärte das Büro von Machthaber Baschar al-Assad.

Merkel und Hollande: "Alleinige Verantwortung" bei Assad

Verständnis für Trumps Vorgehen kam von den westlichen Partnern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident François Hollande erklären nach einem Telefonat: "Präsident Assad trägt die alleinige Verantwortung für diese Entwicklung." Sein wiederholter Einsatz von chemischen Waffen und seine Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung verlangten eine Sanktionierung, wie Frankreich und Deutschland sie bereits im Sommer 2013 nach dem Massaker von Ghuta gefordert hätten.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat dazu aufgerufen, den Konflikt nicht weiter militärisch auszutragen. „Die Anstrengungen, die Spirale der Gewalt in Syrien zum Stillstand zu bringen (...), sollten nochmals verdoppelt werden“. Lediglich ein politischer Prozess könne zu dauerhaftem Frieden führen. Es gebe „einen klaren Unterschied zwischen Luftangriffen auf militärische Ziele und dem Einsatz von Chemiewaffen gegen Zivilisten“, sagte Juncker.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Rande seiner Mali-Reise: „So nachvollziehbar nach dem Versagen des Weltsicherheitsrats der Militäreinsatz der USA gegen die militärische Infrastruktur auch war, so entscheidend ist es jetzt, zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen.“ Es gelte mit aller Kraft die Arbeit der UN zu unterstützen, um eine politische Lösung zu erreichen. „Europa und auch Deutschland stehen dafür bereit“, sagte Gabriel. „Die schrecklichen Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass dafür auch die beteiligten Konfliktparteien aus der Region und auch die USA und Russland gebraucht werden.“

Rückendeckung erhielt der US-Präsident auch aus Großbritannien. London unterstütze das Vorgehen Washingtons "uneingeschränkt", erklärte die britische Regierung am Freitag. Der Luftangriff sei eine "angemessene Reaktion auf den barbarischen Chemiewaffenangriff der syrischen Regierung".

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte den US-Vergeltungsschlag ebenfalls. „Wir betrachten die Luftangriffe der Vereinigten Staaten gegen die Schayrat-Luftwaffenbasis an diesem Morgen als eine positive Antwort auf die Kriegsverbrechen des Assad-Regimes“, teilte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin mit. „Die Zerstörung der Schayrat-Luftwaffenbasis ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass chemische und konventionelle Angriffe gegen die Zivilbevölkerung nicht ungestraft bleiben.“ Kalin forderte die Einrichtung einer Flugverbotszone sowie von Sicherheitszonen. Erdogan ist einer der größten Widersacher Assads und fordert seit langem dessen Ablösung.

Israel sieht Signal auch für Iran und Nordkorea

Das Bild spiegelt sich auch in den Reaktionen aus dem Nahen und Mittleren Osten wider. Die israelische Regierung stellte sich hinter den US-Luftangriff. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, US-Präsident Donald Trump habe damit die "starke und eindeutige Botschaft" übermittelt, dass der Gebrauch und die Verbreitung von Chemiewaffen nicht toleriert würden. Israel hoffe, dass diese Botschaft nicht nur in Damaskus, sondern auch in Teheran, Pjöngjang und andernorts gehört werde.

Der Iran, wie Russland ein Verbündeter Syriens, verurteilte den US-Luftangriff hingegen scharf. „Diese militärischen Alleingänge sind gefährlich und schädlich“, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi laut Nachrichtenagentur ISNA. In der derzeitigen Lage würden diese Einsätze nur die Terroristen stärken, die Krise in Syrien noch weiter eskalieren lassen und Hoffnungen auf eine politische Lösung noch mehr erschweren.

Saudi-Arabien, der Erzrivale des Irans in der Gegend, begrüßte den Angriff wiederum als „mutige Entscheidung“ Trumps. Das Königreich unterstütze die amerikanische Militäroperation voll und ganz, meldete die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA unter Berufung auf das Außenministerium in Riad. Der Angriff sei eine Antwort auf die Verbrechen des syrischen Regimes gegen sein Volk.

China fordert von allen Seiten politische Lösung

Der US-Präsident hatte den syrischen Staatschef Baschar al-Assad für den mutmaßlichen Giftgasangriff verantwortlich gemacht, der international Entsetzen ausgelöst hatte. Syriens Regierung wies die Verantwortung zurück. Trump sagte am Rande eines Treffens mit Chinas Staatschef Xi Jinping in Florida, von dem nun ins Visier genommenen Flugplatz sei vor wenigen Tagen ein Angriff mit Giftgas auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Chan Scheichun ausgegangen. Dies sei ein „barbarischer Akt“ gewesen. „Ich rufe heute alle zivilisierten Nationen auf, sich uns anzuschließen“, sagte Trump. Das Blutvergießen in Syrien müsse beendet werden. (Lesen Sie hier Trumps Rede im Wortlaut.)

China hat nach dem US-Raketenangriff auf Syrien alle Seiten dazu aufgerufen, nach einer politischen Lösung für den Konflikt zu suchen. „Die Menschen in Syrien leiden sehr. Wir fordern alle Seiten dazu auf, ruhig zu bleiben und die Probleme durch Dialog und politische Maßnahmen zu lösen“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Peking, Hua Chunying, am Freitag. Friedensgespräche müssten vorangetrieben werden, um in der Region wieder Stabilität zu schaffen. Mit einer direkten Bewertung der US-Aktion hielt sich die Sprecherin jedoch zurück. Ob der Angriff eine Wende in der Syrien-Politik der USA bedeute, könne nur die Regierung in Washington selbst beantworten. (Tsp, dpa, AFP, Reuters)

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