zum Hauptinhalt
US-Präsident Donald Trump hatte dem Kongress viel zu sagen, trat aber nicht so aggressiv auf wie gewohnt.

© Jim Lo Scalzo/Pool/Reuters

Trump-Rede zur Lage der Nation: Noch lange kein Präsident

Jungfernrede vor dem Kongress: US-Präsident Trump spricht noch immer, als bewerbe er sich um das Amt. Die Details seiner Regierungspläne bleibt er schuldig. Eine Analyse.

Zunächst das Positive. Der Ton, den Donald Trump in seiner ersten Rede vor dem Kongress anschlug, war die meiste Zeit präsidial und nicht so spaltend und aggressiv wie in seinen Pressekonferenzen. Er verurteilte Hass, Antisemitismus, die Ermordung eines indischen Einwanderers.

Werben um Kooperation im Kongress

Und er scheint nun verinnerlicht zu haben, dass er seine Versprechen nicht wie ein Konzernchef per Anordnung von oben durchsetzen kann, sondern den Kongress für seine Reformen benötigt. Die USA sind eine Demokratie mit Gewaltenteilung, kein autoritäres Präsidialsystem. Er warb um die Republikaner, er warb um die Demokraten. Er appellierte an die Verantwortung aller Beteiligten für das Wohl der Nation. Das war eine deutliche Verbesserung gegenüber den ersten Wochen im Amt. Und allein schon der Umstand, dass man dies hervorheben muss, sagt einiges darüber aus, was bisher im Argen lag.

Freilich hatte die Öffentlichkeit etwas mehr von dieser Rede erwartet. Trump ist nicht mehr im Wahlkampf. Es genügt nicht, zu bekräftigen, dass er in seiner Präsidentschaft eine Gesundheitsreform, eine Steuerreform, eine Einwanderungsreform durchsetzen möchte. Und dass er Amerikas Infrastruktur modernisieren will. Er ist seit bald sechs Wochen der Regierungschef. Und es wäre langsam an der Zeit, dass er die Details nennt, wie er seine Ziele erreichen will. Was genau ist der Inhalt der angekündigten Reformen? Und wie will er sie bezahlen? Das ist der Maßstab, den Amerikas Öffentlichkeit an diese Rede anlegt.

Die Details der Reformen nennt er nicht

Doch diese Details blieb er schuldig. Die Gesundheitsreform? Noch immer liegt kein Plan auf dem Tisch, obwohl Trump seit über einem Jahr so gut wie täglich versprochen hat, er werde Obamas Gesundheitsreform "am ersten Tag im Amt" durch ein besseres System ersetzen. Zu Wochenbeginn hatte er sich in seiner Ansprache vor der Gouverneursversammlung beklagt, niemand habe wissen können, dass Amerikas Gesundheitssystem so "unglaublich kompliziert" sei.

Die Steuerreform? Alle warten darauf, dass Trump erklärt, ob er das System der Firmenbesteuerung komplett umstellt, um sein Versprechen "America First" zu erfüllen und die Produktion im Land steuerlich zu begünstigen. Sein erster Reflex - Zölle auf Waren aus dem Ausland zu erheben - erscheint ihm nicht mehr so attraktiv. Erstens verbieten die Regeln der Welthandelsorganisation WTO diskriminierende Zölle. Zweitens würden die US-Bürger als Konsumenten diese Zölle über die dann höheren Preise bezahlen.

Der erste Ansatz zur Steuerreform ist vom Tisch

Also überlegte Trump, eine Verrechnung bei der Besteuerung von Unternehmen einzuführen, die Produktion im Inland begünstigt und Firmen, die im Ausland Waren für die USA produzieren, belastet. So weit man hört, ist diese Reformidee inzwischen tot, weil die Umstellung zu kompliziert würde und Betrugsversuche erleichtert. Nach der Rede vor dem Kongress wissen die Konzerne und die Öffentlichkeit jedenfalls nicht mehr über Trumps Steuerpläne als zuvor.

Die Einwanderungsreform? Keine Details. Bekommen die geschätzt elf Millionen Illegalen im Land eine Perspektive, ihren Aufenthalt zu legalisieren? Man weiß es nicht. Trump musste klar sein, dass auch diese Reform nicht leicht wird, vor allem weil der Kongress sich nicht einigen kann. Seine beiden Vorgänger George w. Bush und Barack Obama sind an dem Vorhaben gescheitert. Was will Trump anders und besser machen? Dazu sagte er nichts.

Eine Billion für Infrastuktur: Woher nimmt er das Geld?

Das größte Defizit seiner Rede zeigte sich bei den wolkigen Versprechen zur Erneuerung der Infrastruktur. Eine Billion Dollar möchte Trump dafür ausgeben. Sagt er jedenfalls. Woher soll das Geld kommen? Das sagt er nicht. Zur Dimension: Das Staatsbudget 2016 betrug 3,54 Billionen Dollar. Wie soll diese Summe, die zwischen einem Viertel und einem Drittel des Staatshaushalt liegt, zusätzlich finanziert werden? Er weiß es nicht. Wie er ja auch schon vor der Rede eine Antwort schuldig geblieben war auf die Frage, woher die angekündigten 54 Milliarden Dollar mehr fürs Militär kommen sollen. Einfach die Schulden erhöhen - das machen die Republikaner nicht mit.

Dieses Defizit an Erklärung ist symptomatisch dafür, wo Trump sich in seiner Präsidentschaft befindet. "Visions of Trumptopia" beschreibt die "New York Times" seine Rede. Donald Trump ist noch nicht ganz im Weißen Haus angekommen. Er ist noch immer hauptsächlich Wahlkämpfer. Und noch lange nicht der Präsident, der in der Wirklichkeit regiert.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zur Startseite