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Der russische Oppositionelle Boris Nemzow. Die Aufnahme stammt vom Februar 2013.

© dpa

Russland: Boris Nemzows letzte Botschaft

Kurz bevor er in Moskau ermordet wurde, hat Boris Nemzow ein letztes Radiointerview gegeben. Darin übte er scharfe Kritik an Wladimir Putin - und forderte einen sofortigen Stopp des Krieges in der Ukraine.

Knapp drei Stunden vor seiner Ermordung hat sich Boris Nemzow ein letztes Mal mit scharfer Kritik an Russlands Präsident Wladimir Putin zu Wort gemeldet. Das Interview von Freitag mit dem Radiosender Moskauer Echo, in dem Nemzow Putins Ukraine-Politik heftig verurteilte, ist zu seinem politischen Testament geworden. 45 Minuten lang entwarf der prominente Oppositionelle darin seine Vorschläge, "um Russland zu verändern". Mehrfach schnitt er den Journalisten das Wort ab, um seine Sicht der Dinge ausbreiten zu können - als hätte er geahnt, dass seine Zeit abläuft.

Boris Nemzow kritisierte "Putins Aggression gegen die Ukraine"

Anlass für das Interview war der Anti-Krisen-Marsch, zu dem der 55-jährige frühere Vize-Regierungschef zusammen mit oppositionellen Weggefährten für Sonntag aufgerufen hatte. "Dieser Marsch fordert den sofortigen Stopp des Krieges mit der Ukraine, er fordert, dass Putin seine Aggression einstellt", sagte Nemzow in das Mikrofon des Radiosenders.

Putins Vorgehen im Konflikt mit dem Nachbarland sei auch für die schwere Wirtschaftskrise in Russland verantwortlich. "Die Sanktionen, dann die Kapitalflucht: all dass wegen Putins unsinniger Aggression gegen die Ukraine." In dem Interview wiederholte Nemzow auch den Vorwurf, Moskau unterstütze die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit eigenen Truppen, was der Kreml stets zurückgewiesen hat.

"Man muss die internationale Gemeinschaft respektieren"

Am 27. Februar 2015 wird der russische Oppositionelle Boris Nemzow in Moskau unweit des Kreml mit mehreren Schüssen ermordet.
Am 27. Februar 2015 wird der russische Oppositionelle Boris Nemzow in Moskau unweit des Kreml mit mehreren Schüssen ermordet.

© dpa

Eine Journalistin erwähnte auch die Krim und sagte, dass eine Mehrheit der Bewohner gewollt habe, dass die Schwarzmeer-Halbinsel in die russische Föderation eintrete. "Die Bevölkerung wollte in Russland leben, zugegeben", erwiderte Nemzow. "Aber die Frage ist eine andere: Man darf sich nicht nach dem Willen richten, sondern nach dem Gesetz. Und man muss die internationale Gemeinschaft respektieren." Korrupte Politiker vor Gericht stellen, das Militärbudget halbieren, das Bildungsbudget aufstocken: Der einstige Gouverneur und Architekt der liberalen Wirtschaftsreformen der 90er Jahre machte in dem Interview zahlreiche Vorschläge, um Russland zu modernisieren.

Zugleich zeigte er sich wenig optimistisch, dass er Gehör finden würde: "Die Opposition hat zur Zeit nicht viel Einfluss auf die Russen." Auch dagegen hatte er indes ein Rezept parat. Ihren Wortführern müsse jede Woche in einem der Hauptfernsehsender eine Stunde Zeit eingeräumt werden. "Denn wenn man die Macht in den Händen eines einzigen Menschen konzentriert, dann kann das nur zur Katastrophe führen - zu einer totalen Katastrophe."

Durch das Attentat auf Nemzow hat das Lager derjenigen, die ihre Stimme noch gegen Putin erheben, einen ihrer wichtigsten Vertreter verloren. Der Anti-Krisen-Protestmarsch, der am Sonntag durch einen Moskauer Vorort ziehen sollte, wurde als Reaktion auf die tödlichen Schüsse abgesagt. Statt dessen sollen die Moskauer nun am 1. Mai zu einem Gedenkmarsch für Nemzow ins Stadtzentrum kommen. (AFP)

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