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Der russische Außenminister Sergej Lawrow in Berlin.

© imago/ITAR-TASS

Russlands Außenminister Sergej Lawrow: Generalabrechnung mit dem Westen

Moskaus Außenminister Sergej Lawrow hält in Berlin eine Rede über das Verhältnis zwischen seinem Land und Europa - und wirft dem Westen "Russophobie" vor. Ein Ortstermin

Eingeschnappt, sagt Sergej Lawrow, nein, das sei sein Land wirklich nicht. Das sei nicht in Russlands Naturell. Doch zugleich holt der russische Außenminister aus zu einer Generalabrechnung mit dem Westen. Die Körber-Stiftung bietet ihm im Hotel Adlon eine Bühne dafür, die Lawrow für sich zu nutzen weiß. Russische Staatsmedien sind im Saal gut vertreten und verkünden die Anklagen des Ministers als „Breaking News“ in die Welt hinaus. Der Gazprom-Berater Alexander Rahr schreibt auf Twitter, es sei eine „große Rede in Berlin“.

Man müsse derzeit hören, selbst von Experten, „dass Moskau verantwortlich sei für die gegenwärtigen Spannungen in Europa“, kritisiert Lawrow. Dabei habe Russland alles für eine gleichwertige Partnerschaft getan und sei offen für eine Annäherung an die Europäische Union gewesen. „Wir haben konkrete Vorschläge unterbreitet, mit denen unsere Partnerschaft strategisch werden sollte.“ Doch darauf sei der Westen nach dem Ende des Kalten Krieges nicht eingegangen: „Die USA und ihre Verbündeten wollten sich selbst zu Siegern erklären.“ Der russische Außenminister kritisierte die Nato-Erweiterung und auch die Östliche Partnerschaft der Europäischen Union, die Ländern wie der Ukraine und Georgien eine Perspektive für die weitere Zusammenarbeit bieten soll. Diese Länder seien vor die Wahl zwischen Russland und dem Westen gestellt worden, betonte der russische Außenminister. Die Ereignisse in der Ukraine seien eine direkte Folge dieser Politik gewesen.

"Aggressive Gruppe von Russophoben"

„In der Ukraine-Krise wurden Grundsätze des Völkerrechts aufs Gröbste verletzt“, betont Lawrow – und meint damit weder die international als völkerrechtswidrig betrachtete Annexion der Halbinsel Krim noch die russische Intervention in der Ostukraine, sondern den Machtwechsel in Kiew 2014 nach den Protesten auf dem Maidan. Derzeit sei auch zu hören, dass Russland die EU schwächen wolle, sagt Lawrow. „Diese Äußerungen sind absurd.“ Russland habe Interesse an einer starken EU. Zugleich gibt der Außenminister einer „zahlenmäßig kleinen, aber aggressiven Gruppe von Russophoben“ die Schuld am derzeitigen Zustand im Verhältnis seines Landes zum Westen.

Zu Berichten über Moskaus Einflussnahme im US-Wahlkampf sagt Lawrow, in den USA seien bisher keine Fakten auf den Tisch gelegt worden. „Es wird nur spekuliert.“ An die Deutschen gerichtet versichert er mit Blick auf den Bundestagswahlkampf: „Machen Sie sich keine Sorgen.“

Die Rede des Ministers habe die „völlige Divergenz zwischen dem russischen und dem westlichen Narrativ“ gezeigt, bilanziert der Diplomat Wolfgang Ischinger auf Twitter. Lawrow zufolge sei „Russland das unschuldige Opfer von Russophobie“, und alle Schuld liege beim Westen.

Gabriel sagt Gespräch wegen Krankheit ab

Anders als der Auftritt im Adlon laufen Lawrows weitere Termine in Berlin nicht nach Drehbuch: Außenminister Sigmar Gabriel, der am Vormittag noch in Paris gewesen war, sagte das geplante Gespräch wegen Krankheit kurzfristig ab. Auch zum feierlichen Abschluss des deutsch-russischen Jahres des Jugendaustausches kam Gabriel nicht mit.

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