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Vor einer Kundgebung des Islam-Prediger Pierre Vogel in der Flughafenstrasse in Berlin Neukölln beten die männlichen Kundgebungsteilnehmer.

© imago/Christian Mang

Salafisten in Berlin: Die Hauptstadt ist Hochburg der Extremisten

Mehr als 90 Berliner Salafisten sollen bislang als „Heilige Krieger“ nach Syrien oder in den Irak gereist sein. Die meisten haben keine deutschen Wurzeln. Was wissen die Sicherheitsbehörden über die militante Szene?

Von Frank Jansen

Berlin ist eine der Hochburgen der salafistischen Szene, die von ihr ausgehende Terrorgefahr hoch. Ein Indiz für die Fanatisierung ist die Hartnäckigkeit, mit der Salafisten hier in den „heiligen Krieg“ streben. Von den mehr als 90 Personen, die aus der Stadt in die Konfliktregion Syrien-Irak gereist sind (bundesweit sind es 680), hatten sich zwölf zuvor schon in den bewaffneten Kampf im afghanischpakistanischen Grenzgebiet begeben.

Dort existierte zeitweise sogar eine Terrorgruppe mit vornehmlich Berliner Personal, die „Deutschen Taliban Mujahideen“. Zwei weitere Salafisten, die aus Berlin in den Dschihad nach Syrien gezogen sind, hatten sich bereits in den 90er Jahren am Bürgerkrieg in Bosnien beteiligt. Und das sind nur die Fälle, die den Sicherheitsbehörden bekannt sind.

Diese Daten finden sich in einer Analyse des Berliner Verfassungsschutzes zu „Ausreisen von Personen aus dem islamistischen Spektrum in Berlin nach Syrien/Irak“. Die am Freitag veröffentliche Studie enthält noch weitere beunruhigende Details. Der Verfassungsschutz hat sich von den mehr als 90 Ausgereisten aus Berlin insgesamt 60, darunter 13 Frauen, genauer angeschaut, weil es zu ihnen genügend Erkenntnisse gibt.

Viele Salafisten in Berlin haben russische Wurzeln

Zwölf stammen aus Neukölln, elf aus dem Wedding – und nur zwei aus östlichen Stadtteilen, Friedrichshain und Marzahn.

Auffallend ist auch die relativ hohe Zahl von Salafisten mit russischen Wurzeln, die sich aus der Stadt nach Syrien aufgemacht haben. Der Nachrichtendienst spricht von 16 Personen aus dem Kaukasus, mit „tschetschenischem sowie dagestanischem Hintergrund“. Die Behörden beobachten schon länger, dass sich eine kleine Minderheit der russischen Community in Berlin radikalisiert.

Über dieses Milieu ist offenbar auch der bekannteste Salafist der hiesigen Szene, der deutsche Ex-Rapper Denis Cuspert, nach Syrien gelangt. Cuspert landete 2013 bei der von Tschetschenen geführten Truppe „Junud al Sham“ (Soldaten Syriens). Genauso wie offenbar Fatih K. aus Kreuzberg, der allerdings Syrien wieder verlassen hat und sich seit Januar vor dem Berliner Kammergericht verantworten muss. Cuspert hingegen ist immer noch im syrisch-irakischen Chaos unterwegs. Er betreibt jetzt Propaganda für die Terrormiliz „Islamischer Staat“.

Von den 60 ausgereisten Islamisten, die der Berliner Verfassungsschutz nun unter die Lupe nahm, hatten nur vier keinen Migrationshintergrund. Warum der Anteil von „Biodeutschen“ – mutmaßlich Konvertiten – so gering ist, bleibt offen. In Berlin erreicht dschihadistische Hetze womöglich stärker als sonst im Bundesgebiet Personen, die selbst, oder zumindest ihre Familien, nicht aus Deutschland stammen.

Das Bildungsniveau ist bei vielen der 60 Personen niedrig, fast ein Drittel (19 Salafisten) hat keinen Schulabschluss. Das liegt erheblich über dem Berliner Durchschnitt. Weniger als zwei Prozent der Bevölkerung hat weder Abitur noch sonst ein schulisches Abschlusszeugnis. Sogar den weit schlechteren Durchschnitt der Berliner mit Migrationshintergrund – hier haben mehr als 16 Prozent keinen Abschluss – übertreffen also die nach Syrien reisenden Salafisten.

Zwei von 60 haben ein Studium absolviert

Der Verfassungsschutz betont allerdings, Dschihadisten seien nicht ausschließlich in „bildungsfernen Milieus zu verorten“. Zwei der 60 Personen haben sogar ein Studium absolviert. Außerdem konnte der Nachrichtendienst bei 24 Salafisten den Bildungsgrad nicht feststellen.

Bemerkenswert ist zudem ein weiteres Ergebnis der Analyse: Die in Sicherheitskreisen manchmal zu hörende Theorie, militante Salafisten würden mehr und mehr über das Internet und weniger in Moscheen radikalisiert, trifft zumindest auf die Berliner Szene nicht zu. Die deutliche Mehrheit der 60 Personen habe „Kontakte zu dem Verfassungsschutz einschlägig bekannten Moscheen und anderen von Islamisten genutzten Trefforten“ unterhalten, heißt es in der Analyse. Allerdings seien Dschihadisten, wenn sie sich als solche zu erkennen gaben, „in der überwiegenden Mehrheit der Moscheen“ der Räume verwiesen worden.

Die Reise in den Dschihad in Syrien und Irak hat laut Studie etwa ein Dutzend Berliner Salafisten nicht überlebt. Das ist ein Siebtel der etwa 85 Salafisten aus Deutschland, die im Bürgerkrieg den Tod fanden. Allerdings war unter den ungefähr zehn Selbstmordattentätern offenbar kein Berliner.

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