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Mann bei Protest im Irak

© dpa

Schiiten gegen Sunniten: Krieg der Religionen droht - über Syrien hinaus

Auch über Syrien hinaus droht sich der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten in der Region immer mehr auszuweiten.

Im Nahen Osten droht ein Krieg der Religionen. Zwei Jahre nach dem Beginn des Volksaufstands gegen den syrischen Präsidenten Baschar al Assad wirkt der Bürgerkrieg in Syrien zunehmend auch als Katalysator einer blutigen regionalen Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten. Die Konflikte zwischen den beiden großen islamischen Glaubenslagern schwelen seit langem - den Sunniten, die die Mehrheit der Muslime im Großteil der islamischen Länder stellen und den Schiiten, die den Schwiegersohn des Propheten Mohammed als ihren ersten Imam verehren. Brechen die Konflikte nun offen aus, könnten zahlreiche weitere Staaten in ihren Fundamenten erschüttert werden – angefangen vom Iran über die Golfnationen Saudi-Arabien und Bahrain bis hin zum Irak und Libanon.

So gingen in der syrischen Stadt Al Kusair die Kämpfe zwischen sunnitischen Rebellen und schiitischer Hisbollah am Wochenende mit voller Härte weiter. In Katar goss der prominente Prediger Yussef Qaradawi neues Öl ins Feuer und rief die Sunniten aller Welt zum Dschihad gegen das Regime in Damaskus und seine Hisbollah-Helfer auf. In Bahrain stehen sich zwei Jahre nach den Massenprotesten des Arabischen Frühlings die schiitische Mehrheit und die sunnitische Minderheit immer unversöhnlicher gegenüber. Und im Irak dreht sich die Spirale der Gewalt wieder so heftig, wie seit den dunklen Jahren des Bürgerkriegs 2006 und 2007 nicht mehr. Allein im Mai wurden nach UN-Angaben durch Attentatsserien zwischen Schiiten und Sunniten 1045 Menschen getötet und 2400 verletzt.

Mit Blick auf die gnadenlosen Kämpfe in Al Kusair appellierten UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton an die Kriegsparteien, die zwischen die Fronten geratene Zivilbevölkerung zu schonen und eine Evakuierung der mittlerweile 1500 Verletzten zu gestatten. Ban ließ erklären, die am Konflikt Beteiligten müssten wissen, dass die Welt sie genau beobachte und sie für Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung in Al Kusair verantwortlich machen werde. Am Wochenende geriet erstmals auch die Hisbollah-Hochburg Baalbek in der libanesischen Bekaa-Ebene unter Raketenbeschuss. Bei Gefechten zwischen der Hisbollah und syrischen Rebellen in der Nähe der Stadt starben mindestens 15 Bewaffnete. Auch in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli, die überwiegend von Sunniten bewohnt wird, beschießen sich Anhänger und Gegner Assads seit zehn Tagen mit schweren Waffen. Hier haben mittlerweile 30 Menschen ihr Leben verloren. In Katars Hauptstadt Doha warf der Prediger Yussef al Qaradawi, der als geistlicher Patron der Muslimbruderschaft gilt, dem Iran vor, er plane weitere Massaker an Sunniten. Die Hisbollah und den Iran bezeichnete der 86-jährige Hardliner als „Feinde des Islam“ und nannte sie „schlimmere Falschgläubige als Christen und Juden“. Auch vor Ort auf dem syrischen Schlachtfeld sind solche religiös-verächtlichen Beschimpfungen inzwischen üblich. Sunniten bezeichnen ihre schiitischen Gegner als „Dreck“ und als „Hunde“. Prediger betiteln die Hisbollah, was übersetzt „Partei Gottes“ heißt, als „Partei des Teufels“. Umgekehrt verspotten schiitische Kämpfer die Sunniten als „Ratten“ oder als „Beduinen“, was sie als primitiv und zivilisatorisch rückständig denunzieren soll.

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