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Sigmar Gabriel auf dem Landesparteitag der SPD Niedersachsen am Sonnabend. Sein Auftritt wird auch in der Bundestagsfraktion debattiert.

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Schlechte Umfragen machen SPD nervös: Generalsekretärin warnt vor Debatte um Sigmar Gabriel

Die Landtagswahlen hat der SPD-Chef noch überstanden. Doch die Umfragewerte der SPD sinken. Manche Genossen reden schon von einem Befreiungsschlag.

Von Hans Monath

Die Beziehung zwischen Sigmar Gabriel und seiner SPD war nie frei von Konflikten. Oft war von Entfremdung zwischen dem Parteichef und den Funktionären die Rede, nun scheint ein Bruch nicht mehr ausgeschlossen. Nach mehr als sechs Jahren unter Gabriels Führung ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt angelangt. Schlechte Umfragen schockieren die Genossen. Manche hoffen gar auf einen Befreiungsschlag, der den Parteichef das Amt kosten könnte. Am Montag versuchte Generalsekretärin Katarina Barley die aufkommende Diskussion über eine Ablösung des Vorsitzenden zu dämpfen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass uns Personaldebatten nicht hochbringen werden", sagte sie.

Entschieden wandte sich die Generalsekretärin gegen die These, ihre Partei habe ein Glaubwürdigkeitsproblem. In den zweieinhalb Jahren der großen Koalition habe die SPD "ursozialdemokratische Politik" gemacht: "Gerade beim Thema soziale Gerechtigkeit kann man uns nicht vorwerfen, dass wir nicht geliefert oder Versprechungen gemacht hätten, die wir nicht umsetzen."

Mit der Verteidigung der Glaubwürdigkeit reagierte Barley auf Kritik der Jusos. Deren Chefin Johanna Uekermann hatte eine "schonungslose Analyse" über den von Gabriel verantworteten Kurs verlangt. "Mit 21 Prozent sind wir an einem Punkt angelangt, wo jedem verbliebenen Sozi das Herz in die Hose rutschen sollte", sagte sie der Zeitung "Welt". Viele Menschen wünschten sich mehr soziale Gerechtigkeit, "doch immer weniger trauen uns das offensichtlich zu". In der "schonungslosen Analyse" der Parteiführung soll es nach den Worten Uekermanns auch um die Frage gehen: "Was hindert uns daran, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen? Wie lautet das übergeordnete Ziel der SPD? Welche Maßnahmen wollen wir konkret umsetzen, um dieses Versprechen einzulösen?"

"Soll er reden, wir nehmen es ihm nicht mehr ab"

Im jüngsten Deutschlandtrend war die SPD auf 21 Prozent abgerutscht. Das war der niedrigste Wert, seit die ARD-Umfrage 1997 etabliert wurde. Die rechtspopulistische AfD liegt demnach nur sieben Punkte hinter der SPD. Auch in anderen Umfragen in den vergangenen Wochen hatten die Sozialdemokraten deutlich verloren. Die jüngsten Zahlen hätten bei ihr kein Schockerlebnis ausgelöst. Niemanden in der SPD würden die Umfragewerte beglücken. "Inzwischen sind sie besonders weit unten angekommen, aber schlechte Umfrageergebnisse beschäftigen uns ja nicht seit gestern", sagte sie.

Unter den sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten wurden der Umfragen-Tiefpunkt und ein missglückter Auftritt Gabriels auf dem niedersächsischen Landesparteitag in Braunschweig am Wochenende intern breit debattiert. Viele Abgeordnete erwarteten eine Personaldebatte. Es sei aber nirgendwo ein Akteur auszumachen, der Gabriel das Amt streitig machen wolle, hieß es aus der Fraktion. Ob das Thema in der Fraktionssitzung am heutigen Dienstag unter dem Tagesordnungspunkt "Politische Lage" debattiert wird, war am Montag noch offen.

Auf dem Parteitag in Braunschweig hatte es Gabriel nach dem Eindruck von SPD-Delegierten und Journalisten mit einer 50-minütigen Rede nicht vermocht, seine Zuhörer zu fesseln. Inhaltlich forderte der Parteichef, seine Partei müsse sich wieder auf ihre Kernwerte besinnen. "Wir müssen unseren Anspruch erneuern, Schutzmacht der kleinen Leute zu sein – das muss unsere Antwort auf das Erstarken des Rechtspopulismus sein", sagte er.

Gabriel gilt eigentlich als begnadeter Redner, der auch in schwieriger Lage Parteitage besoffen reden kann. Die Berichte über sein Kommunikationsproblem in Braunschweig werteten einzelne Abgeordnete als Beleg dafür, dass dessen Glaubwürdigkeit und Autorität in den eigenen Reihen einen Tiefpunkt erreicht habe. Der Eindruck "Soll er reden, wir nehmen es ihm nicht mehr ab" habe sich festgesetzt, hieß es. Als mögliche Nachfolger von Gabriel gelten in der SPD Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz.

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